Diskussion um TV-Duell vor Bayern-Wahl: In Söders Twitteria
Eine eskalierende Twitter-Debatte: Söder sieht sich als einzigen Ministerpräsidentenkandidaten. Auf Twitter bekommt er massive Gegenrede.
Dass die Äußerungen von CSU-Politikern auch nach hinten losgehen können, ist seit der ausgehetzt-Demo und den ungeschickten Gegenreaktionen ihrer Partei sogar den Christsozialen selbst klar. Wirklich daraus gelernt zu haben scheinen sie aber nicht, wenn auch einige problematische Begriffe mittlerweile aus ihrem Sprachgebrauch verschwunden sind. Sie provozieren weiterhin oder verbreiten Falschmeldungen. Markus Söder macht es vor: Auf Twitter griff er selbstsicher politische Gegner an – und erntete dafür wütende bis sarkastische Entgegnungen.
Söder interpretierte die Realität nämlich auf seine ganz eigene Art. Am Dienstagmittag twitterte er: „Kein TV-Duell vor der Landtagswahl? Offenkundig traut sich außer mir keiner das Amt des MP [Ministerpräsidenten] zu. Bayern geht es so gut wie nie. Warum also was ändern? Wir wollen stabile Verhältnisse in Bayern.“ Mit dem impliziten Vorwurf, niemand außer ihm sei zu einem Schlagabtausch bereit, verzerrte er aber die Tatsachen.
Vor der Landtagswahl in Bayern gibt es in der Regel eine Debatte zwischen dem aktuellen Ministerpräsidenten und seinem stärksten Gegner. Dieses Jahr steht dieses TV-Event allerdings tatsächlich auf der Kippe. Denn der Bayerische Rundfunk, der das Duell ausstrahlt, hat es nach monatelangen Beratungen erst einmal auf Eis gelegt, wie der Münchner Merkur berichtete.
Der Grund dafür ist allerdings nicht die fehlende Bereitschaft der Spitzenkandidat*innen der verschiedenen Parteien zu einer Debatte, so der Münchner Merkur. Sondern die aktuellen Umfrageergebnisse in Bayern, die keinen eindeutigen Herausforderer ermitteln können. Laut der aktuellsten Civey-Erhebung für Spiegel Online und Augsburger Allgemeine Zeitung vom 13. August erreichten Grüne und AfD gut 15 Prozent, die SPD bekam nur noch 12 Prozent, es fehlt also eine eindeutige „Nummer zwei“. Und trotz massiver Einbußen liegt die CSU mit ihren gut 38 Prozent immer noch weit vorne. Damit aber wird der Ablauf des TV-Duells selbst zum Politikum: Eine Debatte zwischen dem Spitzenkandidaten von nur einer der drei Parteien mit Söder würde von den außen vor bleibenden nicht geduldet werden.
Andere Spitzenkandidaten fordern Söder zu Duell auf
Söders provokanter Tweet entbehrt also jeder realen Grundlage. Die Reaktionen ließen auch nicht lange auf sich warten. Im Netz wird Söder als überheblich und realitätsfern kritisiert. Der Kandidat der neugegründeten Partei mut, Matthias Matuschek, besser bekannt als Moderator „Matuschke“ von Bayern3, war am schnellsten: „Jederzeit, der Herr! Wann passt es Ihnen? #mut_bayern #ichbinnichtcsu“, antwortete er. Auch andere kleine Parteien meldeten sich zu Wort. Kandidat*innen von Die PARTEI, der Bayernpartei, den Piraten und der V-Partei³ erklärten ihrerseits die Bereitschaft zum Duell. Widersprechen wollte auch der FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen und provozierte seinerseits: „Ich trau's mir zu. Schlage ein Livestream-Duell vor. Trauen Sie sich?“
Einer, der tatsächlich als potenzieller Gegenkandidat in Frage käme, fordert Söder ebenfalls heraus: Ludwig Hartmann, der Spitzenkandidat der Grünen, schreibt: „Wann und wo? #ltw18 #ltwby“ Der BR wurde bei Twitter von anderen Usern dazu aufgerufen, die Begegnung zu organisieren. Auf die Nachfrage nach Katharina Schulze als Spitzenkandidatin und breiter unterstützter Grünen-Chefin erklärte Hartmann: Sie sei leider noch zu jung, das Mindestalter liege bei 40 Jahren. Die hat Hartmann gerade erreicht. Söder reagierte allerdings auf keine der Anfragen.
Kritik gab es aber auch an Söders Twitter-Stil. „Dachte, ich hätte einen übersetzten Trump Tweet gelesen, bis dann Bayern erwähnt wurde“, schreibt ein Nutzer.
TV-Debatten sollen in anderer Form stattfinden
Der Bayerische Rundfunk bietet nichtsdestotrotz eine Mischung von Formaten, um im Fernsehen Debatten zur Landtagswahl zu senden. Am 12. September soll es eine große Runde mit Vertreter*innen von allen Parteien, die es vermutlich über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, geben; Söder selbst wird dort nicht erscheinen, sondern der CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Außerdem finden einzelne „Wahlarena“-Auftritte der Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien und Drehs mit FDP, AfD, Linken und allen „Kleinparteien“ statt. Nach neuen Umfragen Mitte September will der BR dann nochmal schauen, ob doch was aus dem TV-Duell werden könnte. Ausreichend Kandidaten, die dazu bereit wären, gibt es ja offensichtlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen