Diskussion um Sexualstrafrecht: Entscheidung über Petting verschoben

Heftig kritisiert wurde die Regierung, weil sie das Sexualstrafrecht verschärfen wollte: Jugendliche könnten kriminalisiert werden. Jetzt wurde die Abstimmung verschoben.

Oh Schreck, ein Kuss! Bild: reuters

Die große Koalition will noch einmal über die Verschärfung des Sexualstrafrechts nachdenken. Ein von der Opposition heftig kritisierter Gesetzentwurf wird am Donnerstag nun doch nicht im Bundestag zur Abstimmung gestellt.

Die Bundesregierung will Jugendliche besser vor sexueller Ausnutzung und pornografischer Darstellung schützen. Die Opposition befürchtet dagegen, dass künftig auch harmloses Sexualverhalten von Jugendlichen untereinander bestraft werden kann. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist bereits seit über einem Jahr bekannt, sorgte aber erst in den letzten Tagen für Empörung. Die Initiative setzt im Kern Vorgaben aus einem EU-Rahmenbeschluss von 2004 um.

Sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 Jahren sind und bleiben generell tabu. Ergänzend dazu will die Bundesregierung die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen mit Jugendlichen ausweiten. Als "sexueller Missbrauch von Jugendlichen" gilt laut Paragraf 182 des Strafgesetzbuches, wenn der Sex "unter Ausnutzung einer Zwangslage" oder "gegen Entgelt" erfolgt. Bisher sind in dieser Vorschrift aber nur sexuelle Handlungen mit Jugendlichen "unter 16" erfast. Nun soll das Schutzalter auf 18 Jahre erhöht werden. Künftig wäre also auch der Sex mit 16- und 17-jährigen erfasst, wenn eine Zwangslage ausgenutzt wird oder Entgelt gezahlt wird. Es drohen Geldstrafe oder Haft bis zu 5 Jahren.

Kritiker fürchten, dass auch schon das Verpassen des letzten Busses nach der Teenie-Party als Zwangslage gewertet werden könnte. Und ein Entgelt könnte auch die Einladung ins Kino sein. Wenn es dann zu sexuellen Handlungen, auch bloßen Fummeleien komme, könnte dies schon strafbar sein.

Das ist ziemlich weit hergeholt. Auch beim bisherigen Schutzalter von 16 Jahren gilt als Zwangslage eher die Situation von Drogenabhängigen oder von Ausreißern. Und es sind auch keine Fälle bekannt, bei denen bisher die Kino-Einladung einer 15-Jährigen mit anschließendem Knutschen zur Strafverfolgung führte. "Wir wollen nur Jugendliche vor dem Abgleiten in die Prostitution schützen", erklärte Justizministerin Zypries (SPD) den Kritikern. Den Vorschlag des Bundesrats, auch immaterielle Vorteile, etwa die Zugehörigkeit zu einer Jugendclique, genügen zu lassen, lehnte Zypries als "zu weitgehend" ab.

Allerdings soll es künftig auf das Alter des Täters nicht mehr ankommen, während er bisher mindestens 18 Jahre alt sein musste. Denkbar wäre damit auch der - sicher seltene - Fall, dass sich ein 14-jähriger Junge strafbar macht, indem er einem 17-jährigen Mädchen Geld für Sex bezahlt. Schließlich soll künftig schon der Versuch solcher Taten strafbar sein. Dies würde selbst den tragischen Jugendlichen erfassen, der erfolglos versucht, sich mit einer Kinoeinladung sexuelle Wohltaten zu erkaufen.

Sehr weitgehend ist auch die geplante Änderung von Paragraf 184b des Strafgesetzbuches. Die Strafbarkeit von Kinderpornografie wird auf "Jugendpornografie" ausgeweitet. Künftig sind auch alle pornografischen Darstellungen von sexuellen Handlungen 14- bis 18-Jähriger verboten. Bilder von den Bravo-Aufklärungsseiten sind damit nicht gemeint, weil sie nicht überwiegend auf sexuelle Reize beim Betrachter abzielen. Aber schon die pornografische Beschreibung von Sex mit einer oder einem 17-jährigen in einem Roman müsste künftig mit mindestens 3 Monaten Haft bestraft werden.

Verbieten will Zypries auch bloße "Posings" von Kindern und Jugendlichen, bei denen sie ihre Genitalien oder ihre Schamgegend zur Schau stellen.

Kritiker befürchten, dass sich selbst Jugendliche strafbar machen, die sich im Rahmen einer sexuellen Beziehung einvernehmlich in aufreizenden Szenen filmen, photographieren und beschreiben. So etwas hält zwar auch Zypries nicht für strafwürdig. Leider ist ihr im Gesetz noch keine überzeugende Klarstellung geglückt.

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