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Diskussion um „Frankfurter Rundschau“„Wie ein Stück Vieh auf dem Markt“

Diese Woche wird entschieden, ob die „FR“ weiterlebt. Die Mitarbeiter dürfen dabei nicht mitreden, beklagt der Betriebsratschef.

„Die 'Frankfurter Rundschau' ist nur die Spitze des Eisbergs“: Marcel Bathis, Betriebsratsvorsitzender. Bild: dapd
Timo Reuter
Timo Reuter
Interview von Timo Reuter und Timo Reuter

taz: Herr Bathis, übernimmt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nun die insolvente Frankfurter Rundschau (FR)?

Marcel Bathis: Die FAZ ist eine der möglichen Kandidaten. Entschieden ist es noch nicht.

Und wer ist der andere Kandidat?

Es handelt sich um einen ausländischen Verleger und Druckereiunternehmer, der Interesse hat, sowohl den Verlag als auch die Druckerei zu kaufen. Und uns wurde vermittelt, dass das Profil der FR erhalten bleiben würde. Wenn das so stimmt, könnte ich dieser Lösung mehr abgewinnen. Mehr kann ich dazu momentan nicht sagen.

Die FAZ will die FR angeblich als Regionalzeitung mit etwa 30 Redakteuren weiterführen und den Mantelteil mit FAZ-Inhalten beliefern. Das passt doch nicht zusammen, die konservative FAZ und die linksliberale Rundschau?

Ich kann zu diesen Plänen nichts sagen, der Betriebsrat hat kein redaktionelles Konzept vorgestellt bekommen. Die Entscheider bei der FAZ sind aber bestimmt nicht so dumm, der FR ihren Mantel überzustülpen. Ich glaube eher, wie es teilweise auch schon in der Presse gemeldet wird, an eine Kooperation mit der Frankfurter Neuen Presse, die wie die FAZ zur Fazit-Stiftung gehört. Auf den möglichen Mantel sind alle Leser gespannt, und davon wird auch der Erfolg abhängen.

Bild: dapd
Im Interview: MARCEL BATHIS

Der 41-Jährige ist Betriebsratsvorsitzender des Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main, zu dem sowohl die „Frankfurter Rundschau“ als auch die hauseigene Druckerei gehören. Der gelernte Drucker ist seit 2002 im Betriebsrat.

In der FR stehen viele dem Einstieg der FAZ sehr skeptisch gegenüber. Werden die Mitarbeiter dazu gefragt?

Das geht komplett an uns vorbei, die Belegschaft hat überhaupt kein Wort bei der Investorensuche mitzureden. Man kommt sich vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt, und das macht viele sehr wütend.

Wut auf die FR-Chefs der letzten Jahre? Sind bei aktuell etwa 16 Millionen Euro Verlust pro Jahr viele Fehler nicht hausgemacht?

Also zumindest die Druckerei für sich genommen hat profitabel gearbeitet. Ansonsten haben wir leider die Erfahrung gemacht, dass die Personalsparmaßnahmen durch sinkende Erlöse, besonders im Anzeigenmarkt, wieder aufgefressen wurden.

Also keine selbst verschuldeten Fehler?

Es ist müßig, dieses oder jenes zu benennen oder einen Sündenbock ausfindig zu machen. Grundsätzlich funktioniert das Geschäftsmodell der Tageszeitungen, besonders der überregionalen, nicht mehr so wie vor dem Aufkommen des Internets. Die FR ist nur die Spitze des Eisbergs, und es wird die gesamte Branche noch mächtig beuteln in den kommenden Monaten und Jahren mit erheblichen Konzentrationsprozessen.

Hat die FR nicht inzwischen massiv an Einfluss verloren? Es gibt überregional doch die Süddeutsche Zeitung (SZ) und die taz. Wer braucht da noch die Rundschau?

Es braucht definitiv eine überregionale, linksliberale Stimme in Deutschland, und das war bisher die FR, die auch eine eigene Note hat, die etwa die SZ oder die taz nicht abbilden. Es gibt außerdem hervorragende Redakteure, wie etwa Robert von Heusinger im Wirtschaftsjournalismus und viele andere. Außerdem hat die FR für die Rhein-Main-Region eine herausragende Bedeutung.

Sie befürchten auch im Falle einer Rettung einen massiven Arbeitsplatzabbau. Gibt es konkrete Zahlen?

Es werden sehr viele sein, die ihren Job verlieren, wie viele, kann ich noch nicht sagen. Wenn der ausländische Investor übernehmen würde, könnten wohl ein paar Leute mehr ihren Job behalten als im FAZ-Modell.

Gerade für Ihre Kollegen in der Druckerei, aber auch für die Redakteure wird es schwer, eine neue Anstellung zu finden.

Ja, es wird sehr schwer. Viele werden sich beruflich neu orientieren müssen. Das Durchschnittsalter unserer Belegschaft ist schätzungsweise Ende 40, das macht die Situation nicht einfacher, und viele haben eine Familie zu versorgen.

Deshalb fordern Sie von den Gesellschaftern, der SPD-Medienholding DDVG und der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg, Verantwortung für diese Leute zu übernehmen.

Ja, wir wollen von den Gesellschaftern Geld für eine Transfergesellschaft und einen Sozialplan.

Den gibt es doch schon im Insolvenzverfahren?

Ja, aber der Insolvenzsozialplan hat seinen Namen nicht verdient. Das läuft auf vielleicht 1.000 Euro pro Kopf hinaus, die aber erst in ein paar Jahren ausgeschüttet werden, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Die Leute brauchen aber jetzt eine soziale Abfederung. Die genauen Summen, die wir fordern, sind noch offen, weil man sich erst die Zahl der Entlassungen anschauen muss.

Bisher mauern die Gesellschafter, was konkrete Zusagen betrifft. Müssen Sie nicht mehr Druck machen?

Wir wollen die Gespräche mit DuMont und der DDVG am Dienstag abwarten. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass wir uns nicht einfach abspeisen lassen. Wenn wir kein adäquates Angebot bekommen, werden wir weiterkämpfen und Druck machen, auch über den 1. Februar hinaus.

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9 Kommentare

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  • FB
    FR braucht kaum jemand

    Deutsche lesen die Zeitung nicht weil die Meinung der SPD,der gewerkschaftsbosse, der Grünen und er Roten Khmer sowieso auf allen medialen Kanälen zu haben ist und zwar umsonst. Information lieferte die FR nie. Die Türken und Araber sehen Taliban-Tv und echte Einwanderer interessiert Weltkommunismus nicht, da viele aus diesem kamen. Dann bleiben in Frankfurt noch die Linken a la "Bukaneer" aber die reichen nicht für alle Zeitungen. Politisches neusprech langweilt eben den Rest. Deshalb ist die FR nur die erste Zeitung, der Rest folgt. Der taz sterben auch die Leser weg.

  • MF
    mr. fantasy

    wann lernt ihr journalisten denn endlich, dass der betriebsrat keinen chef, sondern einen vorsitzenden hat, wie es in der bildunterschrift ja richtig steht?

     

    zur FR: "einseitigen Linksparolen"? das muss vor meiner zeit gewesen sein. für die täglichen nachrichten braucht man wirklich keine FR mehr; das sind genauso schlecht recherchierte und geschriebene agenturmeldungen wie überall sonst. um die dokumentationen und hintergrundberichte wärs schade. aber gibts die überhaupt noch?

  • H
    Holkan

    "Wie ein Stück Vieh", mir kommen die Tränen. Dieses Gejammer ist ja nicht auszuhalten. Eine Zeitung geht ein, weil sie nicht genügend Menschen lesen wollen. Sollte das nicht das Schicksal aller ungelesenen Zeitungen sein?

  • B
    buccaneer

    Hallo " armes Vieh "

    schon jemals eine FR gelesen, ich glaube nicht !

    Die FR ist die einzigste Zeitung im Großraum Frankfurt die über rassistische Übergriffe der Bullen berichtet und schon manche Diskussion angezettelt hat.

    Eher unüblich für einen "Teil des kapitalistischen Propagadaministeriums "

  • AV
    Armes Vieh

    Genau wie alle anderen Medien ist die FR nur ein Teil des kapitalistischen Propagadaministeriums - das hat man schön in den letzten Jahren zum Thema Griechenland beobachten können - das als linksliberal zu bezeichnen ist lächerlich.

  • J
    jenny

    Die FR. ist vor allem Lokalzeitung u. lebt von den

     

    Zeitungabos! - die sind aber von 150000 auf nur

     

    noch ca. 70ooo zurückgegangen.

     

    Gründe: vielen sind die Abokosten zu hoch, pro Jahr

     

    über 300 Eu.; ferner hat Frankfurt mittlerweile

     

    einen so hohen nicht deutsch sprachigen Bevölkerungs-

     

    anteil, der sich von einer monodeutschsprachigen,teuren

     

    Lokalzeitung nicht angesprochen fühlt.

     

    Dazu kommt der Generationswandel, die Alten treuen

     

    Leser versterben, die Jungen nutzen lieber kosten-

     

    los das Internet!

     

    Chancen hätte eine boulevardmässig aufgemachte

     

    Lokalausgabe, die auch in englisch u. türkisch

     

    erscheint, kompakter u. dafür auch billiger sein

     

    müsste ( 65 cents = unter dem Bildlevel ) dies wäre

     

    zumindest einen Versuch wert, denn alle anderen

     

    Konzepte sprechen zuwenig Leser an; dafür müsste

     

    natürlich auch eine neue politische "Ausgewogenheit"

     

    Richtung Süddeutsche Zeitung in das neue Blatt ein-

     

    kehren! - die einseitigen Linksparolen ziehen im

     

    weltoffenen u. auf Kapitalismus ausgerichteten

     

    Frankfurt nicht mehr!

     

    Die SPD hat jedenfalls mal wieder gezeigt, dass sie

     

    nichts von Wirtschaft versteht = auf Deutschland

     

    übertragen würde die Politik dieser Partei das ganze

     

    Land in die Insolvenz führen wie bei der FR !

  • B
    Ben

    @ anke: Ich verstehe Ihren Beitrag vor lauter Metaphern nicht mehr. Was wollen Sie genau sagen und wem einen Vorwurf machen?

    Wir erleben hier bei der FR seit 10 Jahren massive soziale Härten. Als ich vor 19 Jahren bei der FR angefangen habe, waren wir 1.700 (!) Mitarbeiter, heute 480. Wenn jemand in dieser Zeit überhaupt noch etwas für die Belegschaft durchsetzen konnte, dann Marcel Bathis. Diesem Mann verkappten Konservativismus oder nähe zu den Chefs vorzuwerfen, ist realitätsfremd... Der Mann hat gegenüber wechselnden Gesellschaftern und "Personalern" immer wieder den Kopf hingehalten. Ohne den Betriebsrat gäbe es in Frankfurt seit Jahren keinen linksliberalen FR-Journalismus mehr. Vielleicht lenken wir unsere Aufmerksamkeit lieber auf die SPD, die die FR 2004 zum Zwecke des Geldverdienens gekauft hat und die Belegschaft jetzt wie eine heiße Kartoffel fallenlässt?

  • A
    anke

    Wieso muss eigentlich immer das Internet an allem die Schuld haben? Kann das Problem denn nicht damit zusammenhängen, dass die Werbung auch nicht mehr ist, was sie mal war – und die Zuständigen bis heute nicht in der Lage gewesen sind angemessen zu reagieren auf den Wandel?

     

    Untergehen ist offenbar keine Kunst, die nur DDR-Bonzen beherrschen. In Zeiten des grassierenden Sparwahns kann bzw. will halt kaum noch jemand zahlen für unglaubhafte oder überflüssige Versprechungen. Das verstehe ich gut. Was ich nicht verstehe ist, dass es Leute gibt, die ihre wirtschaftliche Existenz (und die vieler anderer Leute) partout davon abhängig machen wollen, dass ein totes Pferd ein Rennen gewinnt. Nur, weil sie im letzten Laufn noch mal Glück hatten damit. Trotz angeschlagener Gesundheit (Doping-Folge).

     

    Wenn ich als Entscheider unbedingt belogen werden will, bedeutet das noch lange nicht, dass jeder andere es auch möchte. Schon gar nicht, wenn alle anderen die Kosten ihrer Bestellung aus eigener Tasche zahlen müssen. Ein kultureller Wandel aber, der (mangels grauer Masse) nicht in den Köpfen beginnt, beginnt überhaupt nicht. Und dann scheitert eben auch eine angeblich linke FR am (strukturellen) Konservatismus ihrer Chefs. Die, weil sie sich für unschuldig halten an dessen Existenz, den Tiger schlicht ignorieren, den sie nicht reiten können. Und denen man leider auch nur bedingt vorwerfen kann, dass sie (zum Beispiel dank eines Marcel Bathis und einer Belegschaft, die solche Leute wählt) nie gelernt haben, Verantwortung auch dann noch zu tragen, wenn sie ausnahmsweise mal mit Arbeit verbunden ist.

  • R
    rusti

    So leid wie es einem tut, aber das schon vorher verwässerte Profil, wird nun erst recht zu einer Fratze geglättet. Das werden sich die Biedermänner und Brandstifter der neoliberalen Wirtschaftsfaschismus nicht nehmen lassen. Diesen geistigen Onanisten

    geht doch jetzt schon einer ab.