Diskussion um Bremer Flughafen: Passagiere dürfen vorerst bleiben
Die Bremer Grünen diskutierten beim Landesparteitag, wie sie zum Passagierflughafen stehen. Die Mehrheit entschied sich für den wenig radikalen Weg.
In der Fassung des Landesvorstandes heißt es, der Bremer Flughafen werde „massiv durch Steuergelder der Landesregierung unterstützt“. Noch 2023 solle geprüft werden, ob er in einen Werksflughafen umgewandelt werden könne. Ziel sei es, Bremen als bedeutenden Standort der Luft- und Raumfahrtbranche zu erhalten und hier auf einen klimafreundlicheren Luftverkehr hinzuarbeiten und zu -forschen. Die Idee ist, Firmen wie Airbus in Bremen zu halten, den Personenflugverkehr hingegen einzustellen.
Bereits vor der Pandemie war der Bremer Flughafen klimapolitisch wie wirtschaftlich umstritten: Er ist auf Subventionen angewiesen. Umsatzeinbußen im Zuge der Corona-Reisebeschränkungen und ebenso großflächige wie teure Sanierungsarbeiten tun ihr Übriges.
Als die Idee des Parteivorstands vor dem Parteitag publik geworden war, ließ Kritik nicht lange auf sich warten. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Eckhoff twitterte, die Grünen wollten sich damit „selbst zur Provinz machen“. Im Regionalmagazin „Buten un Binnen“ kritisierte Andree Hoberg, Betriebsratschef des Flughafens, die Risiken für Beschäftigte sowie den Wirtschaftsstandort Bremen. Selbst der große Koalitionspartner SPD lehnte das Vorhaben im Weser Kurier ab. Florian Pfeffer, Co-Landesvorsitzender der Grünen, musste deshalb schon vor dem Parteitag auf die Kritik reagieren und beschwichtigte bei „Buten un Binnen“: Die Grünen stehen weiterhin hinter dem Flughafen.
Öffentlichkeit nicht abschrecken
Der Antrag, den Passus aus dem Wahlprogramm zu streichen, kam von Parteimitglied Anke Saebetzki. Der Flughafen habe es wirtschaftlich schwer, aber es gebe positive Prognosen für den Sanierungsplan, sagte sie. Vorsorglich auch nur zu prüfen, ob die Umwandlung in einen Werksflughafen sinnvoll wäre, schrecke die Öffentlichkeit und damit die Wähler*innen auf. Das bessere Framing für den Wahlkampf: den Flughafen grüner machen. Das sieht auch Hermann Kuhn so, ehemaliger Grünen-Landessprecher und Abgeordneter. Er sagte am Samstag, es brauche ein besseres „Botschaftsmangement“.
Philipp Bruck, Sprecher für Klimapolitik, sieht das anders. Man könne nicht ignorieren, dass über der Zukunft des Flughafens „als Damoklesschwert das EU-Beihilferecht schwebt“: Bereits 2014 hatte die EU-Kommission beschlossen, ab 2024 staatliche Subventionen für Regionalflughäfen zu kappen. „Das ist keine klimapolitische Initiative“, betonte Bruck. Vielmehr gehe es darum, „Bremen als Standort der Luftfahrtindustrie zu halten“.
Auch die Grüne Jugend befürwortete den Vorschlag vom Vorstand. Allerdings kritisiert Landessprecherin Lena Kramer, dass das Programm nicht die Ängste von Beschäftigten abfedern könne. Aus Perspektive des Klimaschutzes sei der Vorschlag aber gut. Auch Bürgerschaftskandidatin Franziska Tell, ebenfalls von der Grünen Jugend, findet: Flugverkehr müsse verringert werden, technische Lösungen für grünes Fliegen seien nicht in Sicht.
Solidarisierung mit Rojava
Dem Antrag stimmten schließlich eine knappe Mehrheit der rund 160 anwesenden Mitglieder zu. Die Prüfung der Einstellung des Passagier-Transports per Flugzeug ist damit zumindest im grünen Wahlprogramm Geschichte.
Nicht aber die Angriffe auf Rojava, eine autonome Provinz im Norden Syriens, die am Samstag ebenfalls thematisiert wurden. Noch vor der Debatte zum Flughafen unterbrachen Aktivist*innen den Parteitag. Sie solidarisierten sich mit Rojava. Seit dem 19. November ist die Provinz Luftangriffen des türkischen Militärs ausgesetzt. Bereits Anfang der vergangenen Woche hatten Aktivist*innen ein Terminal von Turkish Airlines blockiert – an ebendiesem Flughafen, der auf dem Parteitag so scharf diskutiert wurde.
Bereits während die Protestierenden ihr Banner entrollen, ertönte Beifall aus dem Publikum. Dabei haben weder die Bremer noch die Bundes-Grünen bislang den Angriff ihres NATO-Partners Türkei klar verurteilt. Und dabei bleibt es auch. Das Präsidium wiegelte eine Beschlussvorlage der Aktivist*innen, den Angriffskrieg der Türkei ähnlich dem Russlands zu verurteilen, ab: Die Tagesordnung stehe fest. Nur die Grüne Jugend, deren Antrag, die Vorlage doch abzustimmen, knapp scheiterte, positionierte sich eindeutig gegen die Angriffe der Türkei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung