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Diskriminierung bei Edeka in HamburgRassismus kostet das Geschäft

Ein Edeka-Leiter hat zwei seiner Supermärkte verloren, nachdem sich eine Schülerin gegen Diskriminierung wehrte. Sie durfte nicht mit Kopftuch jobben.

Hätte es bei einer Hamburger Edeka-Filiale schwer gehabt: Schülerin mit Kopftuch Foto: dpa

Hamburg taz | Dass sich eine Hamburger Schülerin im Netz gegen Rassismus gewehrt hat, hat für einen ­Supermarkt-Filialleiter drastische Konsequenzen: Der selbstständige Kaufmann Bernd M. musste seine zwei Filialen in Langenhorn an die Edeka-Handelsgesellschaft Nord abgeben. Er behält eine Filiale in Lübeck.

M. hatte im Juni der Schülerin Miriam einen Ferienjob verweigert, da sie ein Kopftuch trägt. Öffentlich bekannt wurde der Vorfall vor einem Monat. Die Schülerin, die sich gedemütigt gefühlt hatte, lud unter dem Namen „mxrima.jbg“ ein ­Instagram-Video hoch, das mittlerweile 1.653.886 Klicks hat.

„Sie wollte gegen Diskriminierung ein Zeichen setzen“, sagt Miriams Rechtsanwalts Yalçın Tekinoğlu, der für sie spricht, da ihre Familie die Minderjährige vor der großen öffentlichen Aufmerksamkeit schützen möchte. Edeka habe der Abiturientin mittlerweile eine fünfstellige Entschädigung gezahlt.

In ihrem Video berichtet Miriam, dass M. auf sie gezeigt und gesagt haben soll: „Du setzt dein Kopftuch ab, oder du kannst hier nicht arbeiten.“ Laut ihrem Rechtsanwalt war sie in dem Edeka, um „nach einer erfolgreichen Bewerbung ihre Probearbeit als Kassiererin“ anzutreten.

Ein prägendes Erlebnis

„Es ist leider viel zu selten der Fall, dass sich Geschädigte und Opfer zur Wehr setzen“, sagt er. In seinem Arbeitsumfeld seien es nur ein Zehntel der Betroffenen, die sich trauten, gegen Diskriminierungen vorzugehen. Es sei eine Besonderheit, dass „wir relativ viel erreicht haben“.

Miriam habe auch „einen Job in einer anderen Edeka-Filiale“ angeboten bekommen“, sagt Tekinoğlu. Aber sie wolle das Angebot nicht annehmen. Sie mache ihr Abitur „voraussichtlich mit 1,0 und will dann Medizin studieren und Ärztin werden“, sagt der Anwalt. Für sie sei der Ferienjob nicht entscheidend. Wichtig sei ihr jedoch, dass „es viele Menschen gibt, die auf so einen Job angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen“, sagt Tekinoğlu.

Der persönliche Angriff sei für die Abiturientin ein prägendes Erlebnis gewesen und sie werde sich weiterhin für die Rechte von Muslimen stark machen, sagt er.

Helene Dahlke, Pressesprecherin von Edeka, ist es wichtig zu betonen, dass das Unternehmen „jede Form der Diskriminierung entschieden“ ablehne. „Für uns und unsere Mitarbeiter zählt nicht die Herkunft, sondern unternehmerisches Engagement und gelebte soziale Kompetenz“, sagt sie und schickt auch ein Statement von Bernd M. mit: Er nehme die im Video geäußerte Kritik von Miriam an und wolle sie „entsprechend bei zukünftigen Personalentscheidungen berücksichtigen“.

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7 Kommentare

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  • Der SPIEGEL zu rassistischer Gewalt mit Todesfolge in Berliner EDEKA Märkten



    www.spiegel.de/pan...rde-a-1140684.html

  • warum eine fünfstellige entschädigungssumme ...

    der hintergrund erschließt sich mir nicht.

    • 0G
      04970 (Profil gelöscht)
      @adagiobarber:

      Genau:



      was ist schon so schlimm an derartig asozial-diskriminierendem Verhalten wie dem des widerwärtigen Filialleiters?



      50 € hätten's doch auch getan bei einer Muslimin, gell?



      Bemerkenswert: Ihre Solidarität mit derartigem Gedankengut.



      Ekelhaft: Ihr Kommentar!

    • @adagiobarber:

      Weil Edeka lieber mit Geld schmeißt als den Fall von der Familie in der Presse breitgetreten zu sehen.

      • 0G
        04970 (Profil gelöscht)
        @hopfen:

        Nach Ihrer kruden "Logik" wäre jede Reaktion von EDEKA falsch gewesen.



        Tatsächlich hat EDEKA von allen möglichen Reaktionen eindeutig die mit Abstand beste gezeigt.



        Dass Sie überhaupt nicht in Erwägung ziehen, dass andere als Geschäftsinteressen dabei ausschlaggebend waren, wird keinen ernstzunehmenden Menschen von Ihrer Meinung überzeugen.

    • @adagiobarber:

      Entschädigungszahlungen nach dem AGG, weil man einen Job allein aufgrund von Diskriminierung nicht erhalten hat, existieren. Diese betragen aber i. d. R. nur einige Monatsgehälter. Bei einem Ferienjob käme man damit sicherlich nicht auf einen fünfstelligen Betrag. Eventuell kam dann noch zusätzlich Schadenersatz wegen psychischen Folgen hinzu. Aber fünfstellig? Daher wohl eher: PR für Edeka, "guten Willen" gezeigt, die Familie besänftigt (wer konnte das Jobangebot jetzt locker ablehnen und braucht wohl auch nicht mehr arbeiten bis zum Ende des Studiums?) und damit auch die Ernsthaftigkeit des Themas etwas rausgenommen.

      • 0G
        04970 (Profil gelöscht)
        @Devil's Advocate:

        Die ggf. fällige Entschädigung hätte nicht EDEKA, sondern der Widerling zahlen müssen, der die Studentin nicht mit Kopftuch arbeiten lassen wollte.



        Abgesehen davon: natürlich ist es möglich oder sogar wahrscheinlich, dass EDEKA _auch_ an PR gedacht hat, als die Zahlung veranlasst wurde.



        Bei einer derart hohen Summe könnte man aber auch in Erwägung ziehen, dass tatsächlich Scham der ausschlaggebende Faktor für die Zahlung in dieser Höhe war.



        Von Banken, Volkswagen oder Chemie- bzw. Pharmakonzernen z.B. (PR hin, PR her) ist man da jedenfalls was ganz Anderes gewöhnt: gar nichts oder lächerliche Almosen - nach jahrelangem Prozessieren.