Diskriminierung an Schulen: Neukölln bricht mal wieder ein Tabu
Im Multikulti-Bezirk eröffnet die bundesweit erste Antidiskriminierungsstelle für Schulen.
![](https://taz.de/picture/915746/14/GiffeyADAS.jpeg)
Er sei stolz, Neukölln „mal wieder als Vorreiter präsentieren zu können“, sagte Jan-Christopher Rämer am Freitag in der Martin-Gropius-Schule in Britz. Der Schulstadtrat, Nachfolger von Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (beide SPD), stellte dort ein Projekt vor, das nicht nur in Berlin, sondern deutschlandweit Modellcharakter haben soll: ADAS, die erste „Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen“.
20 bis 30 Prozent der bei Beratungsstellen angezeigten Diskriminierungsfälle stammten aus dem Bildungsbereich, erklärte Aliyeh Yegane. Die Diversity-Expertin übernimmt als Mitarbeiterin des Bildungsträgers Life e.V. die ADAS-Projektleitung. Bisherige Antidiskriminierungsrechte wie das Gleichbehandlungsgesetz reichten für das, was an Schulen passiere, nicht aus. Der grundgesetzlich abgesicherte Diskriminierungsschutz gelte aber definitiv auch dort, so Yeganeh.
Dunkelfeld erschließen
Das ADAS-Projekt soll dafür sorgen, dass dem nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Wirklichkeit so ist: Der Träger Life hat sich dafür mit dem Bezirksschulamt sowie der Senatsverwaltung für Bildung zusammengetan. Vertreter der Schulen und der Schulverwaltung wollen sich in Zukunft mit engagierten SchülerInnen, Eltern und zivilgesellschaftlichen Institutionen – etwa Beratungsstellen oder auch Moscheevereinen – zusammen setzen. Diskriminierungsfälle sollen besprochen und mögliche Handlungsoptionen entwickelt werden. Zu ADAS gehört zudem eine Anlaufstelle, die Betroffene von Diskriminierung berät, sie arbeitet verwaltungsunabhängig.
Das Modellprojekt soll einen Dunkelbereich erschließen, der „sonst eher einem Tabu unterliegt“, sagte Yegane. Denn viele Diskriminierungsfälle würden bisher aus Angst vor Nachteilen nicht angezeigt. Lösungen und Handlungsstrategien seien deshalb wichtiger als Sanktionen: Viele Eltern etwa wollten gegen Diskriminierung nicht klagen, weil sie dadurch Nachteile für die Schulkarrieren ihrer Kinder befürchteten.
Es gehe ihnen um Konfliktlösung, aber nicht um Sanktionen für die Diskriminierenden, betonte auch der Neuköllner Bezirksschulrat Meinhard Jacobs. „Wir wollen Handlungskonzepte entwickeln, die den Schulen beim Umgang mit Diskriminierung helfen können.“
Bürgermeisterin Giffey sagte, ADAS befasse sich mit „jeder Form von Diskriminierung, die von allen Akteuren des Schullebens – SchülerInnen, Lehrkräften, Eltern – ausgehen und alle treffen kann.“ Das von der Lottostiftung finanzierte Projekt soll im April 2018 mit der Formulierung von Handlungsempfehlungen enden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche