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Direkte Demokratie fürs Klima in BerlinAufbäumen gegen das Streichkonzert

Ein Volksentscheid zur Klimaanpassung nimmt die erste Hürde. Bringen die Ber­li­ne­r:in­nen ihn zum Erfolg, um die Klimapolitik des Senats zu kontern?

Gute Aussicht auf Bäume in Berlin Foto: Imago/F. Boillot

Berlin taz | Trotz klirrender Kälte und eines platten Reifens fährt Heinrich Strößenreuther am Dienstagmorgen mit einem Lastenrad bei der Senatsverwaltung für Inneres in der Klosterstraße vor. Transportiert hat er damit eine Menge schwarzer Aktenordner. Darin sind insgesamt 33.044 Unterschriften abgeheftet, die Umweltaktivist Strößenreuther und die Initiative Volksentscheid Baum in den vergangenen sechs Wochen gesammelt haben. Gereicht hätten bereits 20.000. Das Ziel: Das durch den Klimawandel immer heißer, trockener und stürmischer werdende Berlin „hitzesicher und wetterfest“ machen.

Bis 2040 sollen in Berlin dafür eine Million Bäume gepflanzt, mehr Grünflächen angelegt und Versickerungsflächen für Starkregen geschaffen werden. All das hat die Initiative, die nun die erste Hürde im Volksgesetzgebungsverfahren voraussichtlich genommen hat, in einem „Klimaanpassungsgesetz“ detailliert aufgeschrieben. Kostenpunkt laut amtlicher Schätzung: 7,2 Milliarden Euro. Doch fehlende Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassung dürften kommende Generationen noch teurer zu stehen kommen. Bei der Übergabe ist dann auch ein Kleinkind im Kinderwagen dabei – es könne schon „Baum“ sagen, scherzt ein Aktivist.

Nachdem der letzte große Anlauf aus der Zivilgesellschaft, der Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral, im März 2023 am Quorum von 25 Prozent knapp gescheitert ist, soll es nun also der Baum-Volksentscheid reißen: Klimaanpassung statt Klimaschutz. Klingt nach kleineren Brötchen, ist aber mindestens ebenso wichtig. Dass Berlin gute Voraussetzungen hat, zur Modellstadt für Klimaanpassung zu werden, hat zuletzt der Zukunftsforscher Stephan Rammler in einer Studie dargelegt – und auch, warum das nötig ist: Berlin wird schon in wenigen Jahren das Klima einer südeuropäischen Stadt haben, heißt es in dem Bericht.

Während Brandenburg bereits eine Klimaanpassungsstrategie verabschiedet hat, stammt die vorerst letzte Planung in Berlin aus dem Jahre 2016. Seitdem wurden zwar 200 Trinkwasserbrunnen angelegt und haben die Wasserbetriebe in neue Infrastruktur investiert, doch Themen wie die „Schwammstadt“ und der bessere Schutz der Stadtnatur vor Hitze und Schädlingsbefall wurden im politischen Betrieb zerrieben.

Senat ist gescheitert

CDU und SPD hatten in ihren Koalitionsverhandlungen im Dezember 2023 den großen Schritt angekündigt: ein Klima-Sondervermögen in Höhe von 5 Milliarden Euro, das auf 10 Milliarden aufgestockt werden könnte. Das klang vielversprechend, doch eine konkrete Unterfütterung in Maßnahmen war der Senat schon damals schuldig geblieben. An die Öffentlichkeit waren einzig Ideen wie eine Magnetschwebebahn oder die Sanierung von Polizeiwachen gedrungen.

Doch das ist Geschichte. Nach dem Aus für das Klima-Sondervermögen des Bundes durch ein Urteil aus Karlsruhe kassierte auch der schwarz-rote Senat seine Klimaziele. Ein Rechtsgutachten hatte ergeben, dass das Berliner Sondervermögen nicht mit der Schuldenbremse vereinbar sei. Der Senat reagierte mit der Ankündigung, alternative Finanzierungsmodelle aufzutun, diese aber gibt es bis heute nicht.

Und es wird noch schlimmer: Im neuen Sparhaushalt soll beim Klimaschutz weiter gestrichen werden. So wird das Berliner Förderprogramm für nachhaltige Entwicklung (BENE II) um 12 Millionen Euro auf nunmehr 31 Millionen zusammengekürzt. Mit dem Programm sollen unter anderem die klimagerechte energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, der Schutz der grünen Infrastruktur oder Projekte der Verkehrswende gefördert werden. Auch bei den Zuschüssen an die Berliner Wasserbetriebe für Gewässergüte-Maßnahmen wird der Rotstift angesetzt. Statt 12 Millionen gibt es nur noch 5 Millionen. Weitere Kürzungen betreffen das Energie- und Klimaschutzprogramm sowie die landeseigene Grün Berlin GmbH.

Schon nach dem Aus für das Sondervermögen war deutlich geworden, dass Klimaschutz für CDU und SPD keine Priorität hat. Im Gegenteil: Der Senat betreibt eine ideologische Politik zugunsten von Autofahrern und verzichtet nun trotz des Spardrucks auf Mehreinnahmen bei den lächerlich niedrigen Parkgebühren. 40 Millionen Euro hätte das bringen können, so der BUND.

„Wie beim Klimaschutz kann auch bei der Klimaanpassung die Umsetzung nur gelingen, wenn Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mittun“, heißt es in der Klimaanpassungsstrategie 2016. Nun müsste es stattdessen heißen: Wenn die Politik nicht willens ist, müssen die Bür­ge­r:in­nen an ihre Stelle treten – mit einem positiven Votum zum Baumentscheid.

Es wäre nicht das erste Mal. Auch der Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. Enteignen war 2021 zu einem Popular Vote geworden. Weil der Senat nicht in der Lage war, die Mietenexplosion zu dämpfen, griff die Mehrheit der Ber­li­ne­r:in­nen zu radikaleren Mitteln. Ihr Ja kreuzten damals auch viele an, die einer Vergesellschaftung eher skeptisch gegenüberstanden, aber dennoch ein politisches Zeichen setzen wollten.

So könnte es nun auch beim Baumentscheid kommen. Dem klimapolitischen Streichkonzert der Großen Koalition einfach ein Häkchen entgegensetzen und mit Ja stimmen.

Dass die Un­ter­schrif­ten­samm­le­r:in­nen in Rekordzeit anderthalbmal so viele Unterschriften gesammelt haben wie nötig, wertet Heinrich Strößenreuther als „klares Zeichen der Berliner Bevölkerung für den Schutz vor Klimafolgen“. Nun muss die Innenverwaltung die Unterschriften an die Bezirke weiterleiten – die wiederum zählen und prüfen sie. Bis zum 22. April, symbolischerweise der World Earth Day, haben die Bezirksämter dafür Zeit. Dann könnte der Senat das von der Initiative ausgearbeitete Klimaanpassungsgesetz annehmen.

Strößenreuther gibt sich naturgemäß optimistisch, dass der Senat dies tun wird. Es sei eine Sache des politischen Willens, und schließlich sei der SPD-Landesvorstand ja bereits an Bord (Strößenreuther selbst ist CDU-Mitglied). Doch das bleibt wohl Wunschdenken angesichts der angespannten Haushaltslage und der fehlenden Priorisierung des Themas.

Aber zum Glück entscheidet der Senat nicht alleine.

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