Diplomatische Annäherung: Indien und China hoffen auf etwas Entspannung
Die Außenminister der rivalisierenden Atommächte treffen sich nach fünf Jahren wieder. US-Drohungen könnten bei der Annäherung ungeplant helfen.

„Wir sollten Handelshemmnisse und Blockaden vermeiden“, sagte Jaishankar mit Blick auf Pekings Ausfuhrbeschränkungen. Diese betreffen etwa Indiens Zugang zu Seltenen Erden, Spezialausrüstung und Tunnelbohrmaschinen. Letztere führten bereits zu einer Kontroverse, in die der damalige deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck involviert war: In der Volksrepublik hergestellte deutsche Bohrer, die Indien dringend benötigte, wurden in China offenbar zurückgehalten.
Jaishankar warb für eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen: „Mit gegenseitigem Respekt, Sensibilität und Interesse“ könne das gelingen. Man habe sich schon früher verständigt, dass Differenzen nicht zu Konflikten führen dürften.
Beide Seiten vereinbarten jetzt die Wiederaufnahme von Direktflügen, den Austausch hydrologischer Daten und die Ermöglichung von Pilgerreisen zum heiligen Berg Kailash in Tibet, der Indien und China symbolisch religiös und geopolitisch verbindet.
„Harmonisch kooperieren, gemeinsam erfolgreich sein“
Wang sagte laut dem KP-Blatt Global Times: „Als zwei benachbarte östliche Zivilisationen und große aufstrebende Volkswirtschaften liegt der Kern der chinesisch-indischen Beziehungen darin, wie man harmonisch koexistieren und gemeinsam erfolgreich sein kann“. Man wolle Vertrauen statt Misstrauen, Kooperation statt Rivalität.
Vor dem am Dienstag beginnenden eintägigen Treffen der zehn SCO-Außenminister erinnerte Jaishankar daran, dass Terrorismusbekämpfung ein zentrales Ziel der Organisation sei – ein Seitenhieb gegen den mit Peking verbündeten Nachbarn Pakistan.
Beim dem SCO-Treffen sprachen dann die Minister Indiens und Pakistans zwar jeweils mit ihrem iranischen Kollegen, doch ein bilaterales Gespräch gab es nicht, wohl wegen der jüngsten Spannungen im Zuge des militärischen Schlagabtauschs um Kaschmir im Mai.
Doch auch die vorsichtige Wiederannäherung zwischen Delhi und Peking kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Mai 2020 nahe des Pangong Tso-Sees in Ladakh und an der Grenze zum Autonomen Gebiet Tibet zu tödlichen Handgemengen zwischen Soldaten beider Seiten kam. Erst 2024 begegneten sich Premierminister Narendra Modi und Staatschef Xi Jinping wieder persönlich am Rande des Brics-Gipfels in Russland.
Konkurrenz um Einfluss in Asien
Die indisch-chinesische Rivalität geht aber über Grenzkonflikte hinaus. In Asien konkurrieren beide um Einfluss. Wirtschaftlich holt Indien auf, ist für China aber noch keine ebenbürtige Konkurrenz. Indiens Hoffnung, es könnte zur Alternative des Westens statt der Volksrepublik werden, hat sich bisher nicht erfüllt.
Auch die Tibetfrage belastet das Verhältnis. Indien beherbergt seit 1959 den 14. Dalai Lama. Dessen Wunsch, seine Nachfolge ohne Pekings Einfluss zu regeln, weist China scharf zurück.
In Delhi beobachtet man zudem mit Sorge, wie Peking seinen Einfluss in der Himalaja-Region ausbaut. Die beiden Großmächte könnte aber Donald Trump ungeplant weiter zusammenbringen: Da beide eng mit Russland kooperieren und von dort viel Öl importieren, drohen ihnen womöglich bald Trumps sogenannte Sekundärzölle. Ob die Außenminister jetzt auch darüber sprachen, ist aber nicht bekannt.
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