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Diplomatie oder Nötigung?USA wollen andere Länder zu Einwanderungsgegnern machen

Die US-Regierung hat Diplomaten angewiesen, bei EU-Regierungen für strengere Migrationspolitik zu werben. Bundeskanzler Merz verbittet sich Einmischung.

Mehr solcher Szenen bald auch in Deutschland? Die US-Einwanderungspolizei ICE nimmt am 25. November in St. Paul Menschen fest Foto: Holden Smith/ZUMA Press Wire/dpa

Aus Washington

Hansjürgen Mai

Die Trump-Regierung hat den Anschlag auf zwei Na­tio­nal­gar­dis­t:in­nen am Mittwoch in Washington, mutmaßlich durch einen aus Afghanistan stammenden Mann, zum Anlass genommen, um ihre ausländerfeindliche Migrationspolitik weiter voranzutreiben. Inzwischen erlag eine Soldatin ihren Verletzungen. Bereits vor dem Angriff war bekannt geworden, dass die Trump-Regierung über US-Auslandsvertretungen, unter anderem in EU-Ländern, Einfluss auf deren Migrationspolitik nehmen will.

US-Präsident Donald Trump verkündete am Donnerstag, dass die USA die Bearbeitung von Einwanderungs- und Asylanträgen von Menschen aus Entwicklungsländern dauerhaft aussetzen würden. Zuvor hatte die amerikanische Heimatschutzbehörde DHS bereits angekündigt, Tausende in den USA lebende Migranten aus 19 Ursprungsländern einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Trump und dessen Unterstützer sehen in der Einwanderung keinen Gewinn für die US-Gesellschaft, sondern eine Belastung. Sie müsse deshalb eingedämmt oder komplett gestoppt werden müsse. Sein Wahlversprechen, während seiner Amtszeit die größte Massenabschiebung in der Geschichte der USA durchzuführen, unterstreicht dies nur.

Doch wie die New York Times jüngst berichtete, will die US-Regierung nicht nur im eigenen Land Menschen gegen Aus­län­de­r:in­nen aufhetzen. Wie aus einem internen Dokument des US-Außenministeriums hervorgeht, sollen amerikanische Diplomaten andere Regierungen vermehrt auf die „negativen Auswirkungen“ von Massen-Einwanderung aufmerksam machen und härtere Einwanderungsbestimmungen fordern.

Die USA unter Trump

Im November 2024 gewann Donald J. Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA und amtiert seit Januar 2025 als 47. Präsident. Er treibt den Umbau öffentlicher Einrichtungen und einen Kurswechsel in der Außenpolitik voran.

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Diplomaten sollen mit den Regierungen ihrer Gastgeberländer regelmäßig in Kontakt treten, um die Bedenken der USA „hinsichtlich der von Personen mit Migrationshintergrund verübten Gewaltverbrechen zum Ausdruck zu bringen“. Auch wird in der Depesche davon gesprochen, dass die durch Ausländer verübten Gewalttaten den sozialen Zusammenhalt und die öffentliche Sicherheit in den jeweiligen Ländern gefährden würden.

Es sind alles Aussagen, die so eins zu eins auch auf Trumps „Truth Social“-Kanal oder auf einer rechtspopulistischen Plattform stehen könnten und dies zum Teil auch tun. Ziel sei es, eine breite Unterstützung unter westlichen Regierungen zu schaffen, um durch politische Reformen die Migrationszahlen zu reduzieren und mehr Menschen abzuschieben.

Einflussnahme auf Innenpolitik anderer Staaten

Die Anordnung des US-Außenministeriums an ihre diplomatischen Vertretungen ist eine drastische Ausweitung der amerikanischen Einflussnahme auf die Innenpolitik anderer Nationen.

Die Diplomaten sollen zusätzlich zu den Regierungs-Gesprächen auch Berichte über von Migranten verübte Gewalttaten und die Reaktionen von Regierungen anfertigen. Dort sollen auch alle politischen Maßnahmen aufgeführt werden, „die Migranten unangemessen auf Kosten der einheimischen Bevölkerung bevorzugen“.

Zu glauben, dass die USA ihre politische, militärische und wirtschaftlich Macht noch nie dazu eingesetzt hätten, die politischen Verhältnisse innerhalb anderer Länder zu beeinflussen, wäre naiv. Doch in der modernen Außenpolitik, besonders zwischen Verbündeten, ist solch ein klar definiertes Ziel zur innenpolitischen Stimmungsmache ein Novum.

Die Depesche, die an Botschaften, Auslandsmissionen und Konsulate in Europa, Kanada, Australien und Neuseeland ging, enthält auch diverse rassistische und islamfeindliche Aussagen, die den Diplomaten als Vorlagen für ihre Gespräche mit Regierungsvertreten dienen soll.

Warnung vor radikalem Islam

Neben der Assoziation, dass Massen-Migration zu einer Erhöhung der Sexualstraftaten und dem Zusammenbruch des Rechtsstaats führen könnte, warnt die US-Regierung auch vor einer der Verbreitung des radikalen Islam. Dies würde zu einem Anstieg „antisemitischer und antichristlicher Vorfälle“ führen.

Für diese Mutmaßungen gibt es von Seiten des Außenministeriums allerdings keine Beweise, die diese Aussagen untermauern würden. Jüngste Untersuchungen in den USA haben sogar gezeigt, dass die Chance, dass ein Migrant im Gefängnis landet, um 30 Prozent kleiner sei als die eines weißen in den USA geborenen Staatsbürgers.

Merz: „Migrationspolitik ist unsere Sache“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich derweil eine Einmischung der USA in die deutsche Migrationspolitik verbeten. „Da brauchen wir keine Ermahnungen von außerhalb“, sagte er am Donnerstag. „Die Migrationspolitik ist unsere Sache und die entscheiden wir so, wie wir sie für richtig halten“, so Merz weiterhin. „Und wir sind gerade in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Regierungsprozess auf dem richtigen Weg.“

Die US-Regierung bleibt mit dieser diplomatischen Depesche ihrer Anti-Migrations-Linie treu. Ob andere westliche Länder und Verbündete, darunter Deutschland, sich davon beeinflussen lassen, bleibt abzuwarten. Mit dem Thema Migration hat die Trump-Regierung jedoch den Nerv der Zeit getroffen. In vielen westlichen Ländern ist der Umgang mit Migration zu einem der größten gesellschaftlich und politischen Herausforderung geworden.

Mit Agenturmaterial

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