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Digitalisierungshype im MuseumMultimedial zugeballert

Interaktiv und innovativ, multimedial und digital, das sind die Schlagwörter der neuen Medien. Auch Museen entkommen ihnen nicht.

55 flimmernde Ausstellungsmeter: sehr viel Leinwand mit leider sehr wenig Inhalt Foto: dpa

D as Strobo blitzt, der Techno ballert, über die 270-Grad-Leinwand schiebt sich ein animiertes Video. Doch bin ich nicht in einem neuen Berliner Club, sondern in einer Ausstellung zum Thema Stadtgeschichte. Beworben wird sie mit den Worten: „Erlebe in der multimedialen Ausstellung das Berlin der neunziger Jahre“. Aber was ich erlebe, ist der Digitalisierungshype 2019.

Interaktiv und innovativ, multimedial und digital, das sind die Schlagwörter der neuen Medien, denen auch Museen nicht entkommen. Doch dass trotz der digitalen Technik in vielen Ausstellungen, die ich bisher gesehen habe, oft kein Mehrwert entsteht, verdeutlicht die erwähnte Monsterleinwand ganz gut: Währungsunion, Regierungsumzug, Neubebauung der Stadt, laut Ausstellungswebseite misst die Leinwand stolze 55 Meter Länge und über fünf Meter Höhe, doch behandelt sie jedes Thema mit nur einem einzigen Satz.

Ich laufe weiter durch den Raum zu einigen Fotos, sie zeigen den militarisierten Mauer­streifen zwischen Ost- und Westberlin. Doch wo ich die Bildbeschriftung erwarte, finde ich nur eine Nummer. Wenn ich mehr zum Foto wissen möchte, muss ich nur mein Smartphone aus der Tasche fischen, die Museumsseite aufrufen, dem „Guide Bot“ dort die Nummer nennen, warten bis die Seite geladen hat und weiß dann schon, wo das Foto aufgenommen wurde. Leider ist das gar nicht praktisch, aber halt: interaktiv.

Im nächsten Raum folgen die Soundduschen. Die Soundwas? Eine Sounddusche ist ein Lautsprecher, der unter der Decke hängt, dessen Ton man nur hört, wenn man genau darunter steht – zumindest theoretisch. Denn in diesem Raum hängen 14 Soundduschen dicht aneinander und alle Zeitzeugen brabbeln gleichzeitig vor sich hin. Und der Techno aus dem Nebenraum grüßt immer noch. Wozu das Ganze?

Ich gehe oft und normalerweise auch gerne ins Museum. Meine Ansprüche an eine Ausstellung sind dabei nicht besonders kapriziös. Da will ich ein paar Exponate sehen, ein paar Erklärtafeln lesen und wenn es Fotos oder Videos gibt, gucke ich sie mir auch mit Interesse an. Am Ende schreibe ich ins Gästebuch, bedanke mich artig oder sage, was noch fehlt. Mal fehlt eine bestimmte Perspektive, mal die geschichtliche Einordnung. Doch noch nie habe ich geschrieben: „Vielen Dank für die Mühe, aber mit einem verklebten Touchscreen hätte ich die Inhalte viel besser erfasst.“

Nach der multimedialen Berlin-Ausstellung führt mich der Ausgang direkt in den Museumsshop. Neonfarbene Party-Accessoires und glitzernde Gürteltaschen lassen auf die Altersstruktur des Zielpublikums schließen. An der Kasse werde ich daran erinnert, eine Bewertung auf Google oder anderen gängigen Bewertungsplattformen zu hinterlassen. Für jede Onlinebewertung dürfte ich mir kostenlos eine Postkarte aussuchen. Echt jetzt? So ein billiger Bestechungsversuch mit Postkarten? Das ist aber wirklich richtig Neunziger.

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Svenja Bednarczyk
Entwicklungsredakteurin
im Produktentwicklungsteam der taz im Netz. taz seit 2012.
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2 Kommentare

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  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Smartphone? Selbst wenn ich eines hätte, nähme ich es sicherlich nicht mit, wenn ich ins Museum gehe.

  • Interessant, aber könnte der Name des offenbar reizüberflutenden Ortes genannt werden? Damit mensch gewarnt ist?



    ist es das:



    nineties.berlin/de



    Schon die Website ist ... ziemlich knallig.