Digitalisierung von Alltagserledigungen: Ältere Menschen überfordert
Die Senior:innenvertretung Bremen beklagt, dass Banken und Post für Ältere immer schwerer zugänglich werden. Sie wollen eine analoge Versorgung.
Auf taz-Nachfrage berichtet Michael Breidbach, Sprecher der Senior:innenvertretung, von zahlreichen Beschwerden älterer Stadtbewohner:innen. Dort, wo es persönliche Beratung noch gebe, müsste man wegen der Unterversorgung lange in der Schlange stehen. Ältere Menschen, die in den digitalen Medien nicht fit seien, fühlten sich abgehängt.
Für die Hamburgerin Dagmar Hirche ist das nichts Neues. Sie hat deshalb mit ihrem Verein „Wege aus der Einsamkeit“ vielfältige Angebote entwickelt, die Senior:innen beim Einstieg in den digitalen Raum unterstützen. Unter dem Motto „Wir versilbern das Netz“ veranstaltet sie Schulungen und Gesprächsrunden, nimmt Videos auf und hat ein Mutmachbuch geschrieben.
Zur Forderung der Bremer Senior:innenvertretung nach analoger Versorgung sagt Hirche, dass die Wirtschaft sich nicht um einen Schritt zurück ins Analoge kümmern werde: „Lebenslanges Lernen gehört heute dazu.“ Darum fordert sie stattdessen digitale Sprechstunden „an jeder Ecke und in jeder Nachbarschaft“. So könnten Senior:innen beim Einstieg in die digitale Welt unterstützt werden.
Dagmar Hirche, Verein „Wege aus der Einsamkeit“
Außerdem seien die Unternehmen dafür verantwortlich, kostenlose Schulungsangebote für Senior:innen anzubieten und ihre Angebote anwendungsfreundlich zu gestalten, sagt Hirche. Dazu gehöre auch eine Erklärung der Begrifflichkeiten. Schon das Wort „Browser“ würden die meisten nicht kennen. Hirche erklärt ihren Schützlingen den Browser als das Taxi im Internet, das einen zum gewünschten Ziel bringt. Solche Analogien seien hilfreich, um das Neue zu verstehen.
Niedrigschwellige Angebote sind wichtig, findet auch Joachim Schulte, Sprecher des Fachbeirats „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er sagt, jede:r solle Digitalisierung dort nutzen, wo es Sinn mache und möglich sei. Man könne aber auch nicht von allen verlangen, dass sie schnelles Internet hätten und sämtliche digitalen Dienste kennen. Menschen dürften nicht ausgeschlossen werden.
Analoge Nachfrage nach wie vor vorhanden
Dabei gibt Schulte auch zu bedenken, dass Menschen mit Sprachbarrieren oder anderen Einschränkungen ebenfalls Schwierigkeiten mit digitalen Angeboten hätten. Solange die Nachfrage nach analoger Beratung bestehe, müsse diese auch verfügbar sein.
Hauptberuflich ist Schulte stellvertretender Geschäftsführer des Vereins „Deutschland sicher im Netz“. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen hat der Verein den Digital-Kompass entwickelt. Bundesweit entstehen dabei 100 Treffpunkte, an denen ältere Menschen beraten werden. Die Internetlots:innen vor Ort seien ebenfalls über 60, weil es ein besseres Vorbild sei, wenn man sich gegenseitig hilft, so Schulte.
Um auch Senior:innen im ländlichen Raum besser zu erreichen, gebe es außerdem den „Digitalen Engel“. Das sei ein Bus, der als mobiles Angebot in die Dörfer fahre und ein erstes Kennenlernen mit dem Internet ermögliche. Ziel des „Engels“ sei es, neugierig zu machen und auf bestehende Anlaufstellen hinzuweisen.
Angebote zur Einführung in die digitale Welt soll es in Zukunft flächendeckend geben. Michael Breidbach von der Bremer Senior:innenvertretung bezweifelt aber, dass die Angebote ausreichen. Es brauche dauerhafte Ansprechpartner:innen.
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