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Digitales KlassenzimmerAuf die lange Bank geschoben

Fünf Milliarden Euro hat der Bund versprochen, um die Schulen zu digitalisieren. Wann der Digitalpakt umgesetzt wird, ist jedoch völlig offen.

Das kann noch dauern: Der Digitalpakt ist kein sicheres Versprechen mehr Foto: dpa

Berlin taz | Zwischen viel Einwanderungspolitik und ein bisschen Dieselskandal blieb beim TV-Duell zwischen Martin Schulz und Angela Merkel am Sonntagabend ein Thema komplett außen vor: die Bildung. Am nächsten Tag schob Schulz einen Tweet nach, in dem er verkündete, „zu Bildung, Arbeit und Digitalisierung gibt es noch viel Stoff“, er würde hier gern weiterdiskutieren.

Weil Bildung Ländersache ist, lässt sich bei Bundestagswahlen in der Regel nicht damit punkten. Dabei hatte vor einem Jahr noch vieles darauf hingedeutet. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) kündigte im Oktober groß den „Digitalpakt“ an, 5 Milliarden Euro sollten Deutschlands Schulen über fünf Jahre fit für die digitale Welt machen.

Pläne, die an Schulen auf breite Zustimmung gestoßen sind. Doch nun steht hinter den versprochenen Mil­liar­den ein großes Fragezeichen. Erst lief die Absprache zwischen Bund und den formell zuständigen Länderministerien alles andere als glatt, woraufhin die Kultusministerkonferenz (KMK) ein eigenes Eckpunktepapier vorstellte. Dann ruderte Wanka zurück und wollte von konkreten Plänen nichts mehr wissen. Der Digitalpakt sei ein „Kernprojekt der nächsten Koalitionsverhandlung“, sagte sie im August, das Eckpunktepapier sei nur ein vorläufiger Entwurf.

Was Wankas Zurückrudern erklärt: Die versprochenen 5 Milliarden Euro schafften es nicht in den Bundeshaushalt für 2018. Und nicht nur der Termin schien plötzlich unsicher: „Stellen Sie sich vor“, sagte Wanka gegenüber dem Onlinemagazin politik-digital.de, „das Geld müssen Sie erst mal haben.“

Für das Hin und Her finden die Länder klare Worte: „Es ist misslich, dass wir Zeit verloren haben und die Aufbruchstimmung in den Ländern einen Dämpfer erhalten hat“, sagte KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann. Das Eckpunktepapier bilde nunmehr die Basis für die weiteren Verhandlungen. Vor der Bundestagswahl würden diese wieder aufgenommen werden. Die Bund-Länder-Vereinbarung, so Eisenmann, könne noch 2017 erreicht werden.

Der Digitalpakt

Der Bedarf: Noch immer fehlt es vielen Schulen an Internetanbindungen und Computern. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom wünschen sich acht von zehn Befragten ab 14 Jahren, dass Bund und Länder mehr in digitale Lernmittel investieren. Neun von zehn finden außerdem, dass Lehrer mehr Digitalkompetenz brauchen.

Der Pakt: 2016 stellte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) den Bildungspakt vor: Der Bund finanziert die digitale Infrastruktur, also die Hard- und Software, die Länder übernehmen die Aus- und Fortbildung der Lehrer und die Änderung der Lehrpläne. Schon ab 2018 sollten die 5 Milliarden über fünf Jahre hinweg an rund 40.000 deutsche Schulen gehen.

Das Problem: Bund und Länder konnten sich bislang auf kein gemeinsames Eckpunktepapier einigen. Die versprochenen Milliarden sind im Bundeshaushalt für 2018 bislang nicht eingeplant.

Den Optimismus teilen nicht alle. Martin Wagner ist Leiter des Berliner Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums. Seine Schule arbeitet bereits seit sieben Jahren mit Smartboards, seine Lehrer machen bereits jetzt Fortbildungen an der Humboldt-Universität, jüngere Kollegen bilden die älteren aus. Aber Wagner sieht noch viele Lücken. Er kann nicht alle Funktionen der Smartboards nutzen, weil die Internetverbindung der Schule bei zu vielen Nutzern zusammenbricht. Momentan ist jeder zweite Klassenraum ausgestattet, dank eines Programms des Berliner Senats. Aber digitale Infrastruktur ist teuer. Ein Smartboard kostet mindestens 4.000 Euro, jedes Jahr kauft die Schule nach Möglichkeit zwei bis drei dazu. Wenn die digitale Entwicklung schneller passieren soll, braucht es Mittel vom Bund.

Das gilt auch für den Unterricht. Wagner will noch mehr digitale Inhalte auf seinen Lehrplan setzen, der Rahmenlehrplan in Berlin würde das erlauben. „Aber wir können die Digitalisierung im Unterricht erst voll umsetzen, wenn wir auch die Ressourcen haben.“ Und, fügt er hinzu, wenn die Lehrer dazu bereit sind. Noch ist ungeklärt, ob ihnen die Fortbildungen als Dienstzeit angerechnet werden. Schulleiter Wagner weiß, dass die Nachschulungen dringend nötig sind: Gerade ältere Lehrer müssten den Umgang mit der Technik, den Kinder intuitiv beherrschen, erst lernen.

Flickenteppich statt Digitalpakt?

Mathis Prange ist Koordinator für Medienkompetenz im Lehramtsstudium an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er beschäftigt sich viel mit dem Thema Digitalisierung in der Lehrerausbildung. Der Digitalpakt, findet er, sollten die Länder nicht allein stemmen. „Wenn der Bund nicht finanzielle Anreize für die Länder schafft, werden diese selbst und je nach ihren Möglichkeiten entscheiden müssen, ob das Thema für sie wichtig ist.“

Das könne die Bildungsunterschiede zwischen den Ländern noch weiter vergrößern, sagte Prange, heraus komme ein Flickenteppich. Denn wie die Länder ihre Lehrer konkret fit fürs Digitale machen wollen, ist ihnen selbst überlassen. Die KMK hat bislang darauf verzichtet, Medienkompetenz zum verpflichtenden Bestandteil der Lehrerausbildung zu machen. Manche Pädagogen fordern gar ein eigenes Fach Medienkunde. Ein alleinstehendes Fach wäre auch nicht die Lösung, findet Prange, weil es zu losgelöst vom Rest des Lehrplans stehen würde. Es handle sich bei der Digitalisierung um eine Querschnittsaufgabe aller Fächer.

„Man kann Lehrer nicht nur einmal in eine Fortbildung schicken, oder noch schlimmer, ihnen nur die Technik hinknallen.“ LehrerInnen sollen schrittweise an die digitalen Medien herangeführt werden, bei manchen fängt das schon bei Power Point an. Deswegen brauche es neben verpflichtenden Modulen im Studium auch dauerhafte Beratungsstellen, fordert Prange. Die Strukturen wären schon vorhanden, jedes Bundesland hat regionale Medienzentren, aber die sind so personell unterbesetzt, dass sie der Aufgabe momentan nicht gewachsen wären. „So ein Fortbildungssystem zieht einen Rattenschwanz nach sich, den die Politik scheut“, sagte Prange.

Und es fehlt nicht nur Geld für Technik, sondern auch für Personal. Zum Schulstart mussten gerade verschiedene Bundesländer Pensionäre an die Schulen bitten – oder Gymnasiallehrer an die Grundschulen. Wenn Lehrer jetzt noch zusätzlich an Fortbildungen teilnehmen, müssen die Schulen Ersatz finden – oder den Unterricht ausfallen lassen. Auch hier müsse die Politik ansetzen, sagte Prange, mit Ersatzstunden und anerkannten Zertifikaten.

Alle Bundestagsparteien sind sich einig: Bildung ist wichtig. Doch die Forderungen für die Schulen im Wahlkampf sind fast alle unkonkret – so wie aktuell der Digitalpakt.

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1 Kommentar

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  • Eine Schule die nicht einmal Grundlagen der deutschen Sprache und Mathematik vermitteln kann, wird auch durch High-Speed Internet und Tabletts nicht besser.

    Ich hatte gestern 3 Hauptschüler und 2 Realschüler zu Vorstellungsgesprächen. Keiner war in der Lage innerhalb von 10 Minuten einen Dreisatz zu lösen.