Digitale Spiele im taz-Test (3): „Da knackt sogar der Kiefer“
Einmal im Monat treffen sich taz-Mitarbeiter zum Daddeln an der Konsole. Diesmal: Boxen gegen Nazis, Star Wars mit der Legokettenpeitsche und Superyetis töten.
3 Konsolen, 4 Spiele, 5 Leute. Neue Spiele, alte Spiele, nur Laien am Werk – die taz-Runde „Digital Spielen“ trifft sich zum dritten Mal. Doch diesmal ist alles anders: 3 Leute spielen drei Spiele auf drei Konsolen: „Fight Night Champion“, „Lego Star Wars 3“, „Borderlands 2“. Dabei sind: Jan Scheper, Volontär bei taz.de, Maik Söhler, Chef vom Dienst taz.de und Jürn Kruse, Medienredakteur der taz.
1. Spiel: „Fight Night Champion", Boxspiel, 2011, Trash, für Xbox
Jürn Kruse spielt einen schwarzen Boxer, der im Gefängnis gegen einen weißen Nazi antreten muss. Nach zwei Minuten ist er platt – der Nazi. Das war einfach. Zu einfach. Kruse wird nun von drei Knastis im Duschraum zusammengeschlagen. Er fällt in Ohnmacht und erinnert sich: Vier Jahre zuvor begann seine Karriere als Amateurboxer. „Bin ich jetzt hier in einem Box- oder in einem Rollenspiel?“
Kruse übergibt die Spielfigur „Bishop“ an Scheper und kommentiert: „Das Geheimnis von Sportspielen ist, möglichst viele Tasten zu drücken.“ „Am Ende der Runde bin ich unkonzentriert", sagt Scheper, „also gleich plattmachen.“ „Wird Werbung in Computerspielen gut bezahlt?“, fragt Medienredakteur Kruse angesichts der Reklame. „Schönes Medienthema“, erteilt CVD Maik Söhler einen Arbeitsauftrag. Scheper schlägt seinen Gegner K.O. – im Ring, beim Sparring. Kruse übernimmt den ersten Profi-Kampf, Bishops Gegner geht zu Boden. Beinarbeit? Gibt es nicht, rechter Haken folgt auf rechten Haken, „this is about fighting“, sagt jemand im Spiel. „Ist wie im Straßenkampf“, meint Scheper. Zweiter Profikampf: „Da knackt sogar der Kiefer“, freut sich Kruse.
Die Hallen werden größer, die Lasershows besser. „Das ist wie früher in der Zirkus-AG“, sagt der Einradfahrer Kruse. Nächster Profikampf, nächster K.O. „Er ist ein unglaublich aufrechter Typ“, meint Kruse nach einem gestelzten Dialog zwischen Bishop und einem fiesen Promoter und korrigiert sich gleich: „Wir sind unglaublich aufrechte Typen!“ Das kann nicht gutgehen. Korrupte Cops schieben Bishop eine Straftat unter, er findet sich im Knast wieder. Und trainiert. Die Musik wird dramatischer, es kommt zum Kampf mit einer Naziglatze – ohne Handschuhe, ohne Runden und Regeln.
Nach 30 Sekunden liegt der Gegner flach. Spielerische Schwächen offenbaren sich: „Die Faust ging einmal durch den Kopf.“ Kaum bleibt eine liegen, steht schon die nächste Naziglatze im Ring – warum auch immer. Kruse: „Spiele mit einer Storyline sind geil, insofern ist das gut hier.“ Eine Liebesgeschichte bahnt sich an. Wir brechen ab.
Das sagt die Zielgruppe: „In Filmen und Spielen sind Boxtrainer immer nette ältere Herren, dabei drillen sie in Wirklichkeit Kinder und Jugendliche mit allen Mitteln.“ (Kruse)
Das sagen die anderen: „Liegt alles an Rocky.“ (Scheper)
Spiel 2: Lego Star Wars 3, Kinderspielklassiker, 2009, für Wii
„Kinder sind bei diesem Spiel nicht ansprechbar“, schickt Söhler, Vater zweier Kinder, vorweg. Mal sehen. Kruse kann weder mit Lego noch mit Star Wars was anfangen. Obi Wan Kenobi ist in einer „genosianischen“ Arena an einen Pfahl gefesselt und kämpft zusammen mit Anakin Skywalker und Padmé Amidala gegen Killerkrebse und -leguane. Die Monster ignorieren die Gefangenen. Hammerspiel. Den Protagonisten wird langweilig. „Ist ja wie im Streichelzoo“, meint Kruse, korrigiert sich aber kurze Zeit später, als der Mörder-Leguan eins mit der „ganz normalen Lego-Kettenpeitsche“ übergebraten bekommt.
Doch das Vieh wehrt sich, Anakin wird in seine Lego-Einzelteile zerlegt. Neuer Versuch. Der Leguan ist härter drauf als die Naziglatzen beim Boxen. „Ich hätte gerne die Macht“, sagt Söhler. Er kommt nicht weiter. „Birgt einen gewissen Humor, dass man sich bei Star Wars so ohnmächtig fühlt“, findet Kruse und übernimmt. Endlich setzt Obi Wan die Macht ein und schiebt seinen Pfahl zu einer Art Treppe auseinander. „Ist ja wie bei Mario Brothers“, meint Kruse. Alle können sich befreien, ein zufällig bereit stehendes Nashorn wird gesattelt, der Leguan stirbt, eine Droidenarmee maschiert ein.
Die Jedis im Publikum zücken ihre Lego-Laserschwerter und springen in die Arena. Los geht das Gemetzel. Zielsetzung: dem üblen Krebs die die Beinchen absensen. Nach allerlei Rumgehacke und Gespringe erledigt Söhler das Monster per finalem Mikadostoß. Neue Raumschiffe landen. Video-Sequenz. Lego-Invasion. „Das sieht aus wie auf dem Piraten-Parteitag“, sagt der erschöpfte Söhler und meint: „Die Star-Wars-Musik könnte von Wagner stammen“. Kruse erkennt entsetzt: „Wagner hat plagiiert".
Neue Szene, in einem Lego-Raumschiffkreuzer müssen goldene Steine gesammelt werden. Ein Typ mit Legoschwert taucht auf – „ah, der Hausmeister“ (Kruse). Wahllos werden Dinge kaputtgeschlagen. „Toll, du haust Raumschiffinventar kaputt und kriegst Geld“, sagt Söhler und zerdeppert eine Säule. Kruse übernimmt. Erneutes Kampfgeplänkel, Bomben werden platziert, ein Goldener Droide wird befreit. Lego Star Wars 3 hat anarchistische Grundzüge – Bomben legen, alles kaputtschlagen, nicht vorankommen. Söhler: „Extrem kleinteiliges Spiel“.
Das sagt die Zielgruppe: „Wenn man auf Lego tritt, klingt das anders.“ (Söhler)
Das sagen die anderen: „Selten ein Spiel gesehen, bei dem ich so wenig Sinn gefunden habe.“ (Kruse)
Eine Viertelstunde Pause fürs Bundesliga-Relegationshinspiel Hoffenheim gegen Kaiserslautern. Spieler stürzen, zerfallen aber nicht zu Legosteinen, große Aufregung, aber keine Naziglatzen. Hoffenheim gewinnt 3:1.
Spiel 3: Borderlands 2, Shooter, Klassiker, 2012, für Playstation 3
Söhler und Scheper am Controller. Ein Mann mit undefinierbarem Akzent erzählt eine Geschichte von einer Hyperion Corporation. Zu sehen ist eine „Mischung aus Leopard und Wildschwein“, das in alter Westernmanier hinterhergeschleift wird. Das Auto haben die Borderlands Mad Max entwendet. Der wartet noch auf die Versicherungssumme.
Tarantino-Musik beim Intro, Söhler ist begeistert. Die Protagonisten werden eingeführt, darunter ein Kerl vom Typus B.A. Baracus, der hier Salvador Gunzerker heißt. Er trifft den nervtötenden Claptrap, der durchs Spiel führt. Claptraps Wohnung sieht aus „wie eine Gletscherleichenhalle“, sagt Scheper. Ein Eindringling klaut Claptrap ein Auge, Söhler öffnet Kisten, staubt ab, was er kriegen kann. Alte Journalistenschule. Dann: Die Feinde kommen! Scheper ist wie gelähmt, Söhler ballert. Und stirbt.
„Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Wiedergeburt“, sagt die Frau vom eingebauten Navi. Scheper ist dran. Und plötzlich: „Knuckledragger“. Der böse Endfeind dieser Sequenz. Scheper ist schon beim Anblick tot. Nochmal Wiedergeburt. Nochmal Knuckledragger. Scheper siegt. Endlich eine neue Wumme, „jetzt wird's schön“, jubiliert Söhler. Scheper darf den Controller trotzdem behalten.
Das neue Level wird eingeleitet mit dem Bild einer AK 47. Beide Spieler sind enttäuscht, aber: „Erst wenn man Lego Star Wars gespielt hat, weiß man Borderlands 2 richtig zu schätzen.“ Die Comic-Optik aus „XIII“ gepaart mit der Weltuntergangsästhetik aus „Fallout“ weiß halt doch zu überzeugen.
Das sagt die Zielgruppe: „Super-Yetis!“ (Scheper)
Das sagen die anderen: „Große Waffe ist besser als kleine Waffe.“ (Söhler)
Protokoll: Maik Söhler, Jan Scheper, Jürn Kruse
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