Diesel-Fahrverbote: Viele Ausnahmen, wenig Kontrollen
Koalition beschließt umstrittene Regeln für Diesel-Fahrverbote. Automatische Überwachung gibt es nicht. Die Grünen bezweifeln die Wirksamkeit.
Die Große Koalition setzt im Schnellverfahren zwei Gesetze durch, die Fahrverbote für ältere Diesel teilweise vermeiden und die zur Durchsetzung notwendigen Kontrollen rechtlich regeln sollen. An diesem Donnerstag stehen das Bundesimmissionsschutzgesetz und das Straßenverkehrsgesetz im Bundestag zur Abstimmung. Am Freitag segnet dann wohl auch der Bundesrat das Paket ab, so dass es im April in Kraft treten kann. Damit werde das BimschG „durchlöchert wie ein Schweizer Käse“, kritisiert der grüne Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar. Die Bundesregierung mache die gültigen Grenzwerte praktisch zu Richtwerten.
Grund seines Ärgers: Der Grenzwert für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wird aufgeweicht. Bis zu einem Durchschnittswert von 50 Mikrogramm gelten Fahrverbote künftig laut Gesetz in der Regel als unverhältnismäßig. Denn die Regierung geht davon aus, dass der Grenzwert dort auch durch andere Maßnahmen eingehalten werden kann. Zudem werden Euro-6-Fahrzeuge grundsätzlich von Fahrverboten ausgenommen, auch wenn sie hohe Emissionen haben. Ältere Diesel dürfen in Fahrverbotszonen einfahren, sofern sie weniger als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer ausstoßen – deutlich mehr als der Euro-5-Grenzwert von 180 Milligramm.
Daneben wird im Straßenverkehrsgesetz der Weg für automatisierte Kontrollen in Fahrverbotszonen freigemacht. Die ursprünglich geplanten fest installierten Kameras, die jedes Autokennzeichen erfassen und seine Abgaswerte automatisch überprüfen, wird es nach massiver Kritik von Datenschützern nicht geben. Stattdessen sind nur Stichproben vorgesehen, bei denen die Autos analog zu mobilen Geschwindigkeitskontrollen überprüft werden. Die Lesegeräte gleichen das Kennzeichen durchfahrender Autos mit den Daten des Zentralen Fahrzeugregisters ab, dürfen ein Foto von Fahrzeug und Fahrer schießen, Ort und Zeit festhalten. Nach zwei Wochen müssen die Daten gelöscht werden.
Stefan Gelbhaar, Grüne
Gelbhaar befürchtet ein Chaos bei den Kontrollen. „Die automatisierte Kontrolle durch Kamerasysteme funktioniert nicht“, warnt der Grüne. Im zentralen Fahrzeugregister seien die vielen Ausnahmen und regionalen Sonderregelungen nicht erfasst. Als Beispiele nennt er Anliegerregelungen, Ausnahmen für Handwerker oder Nutzfahrzeuge. „Massenhaft falsche Bußgeldbescheide drohen“, fürchtet Gelbhaar. Die Grünen plädieren weiterhin für die Einführung einer blauen Plakette für saubere Diesel. Das wäre leicht zu kontrollieren, wird von der Union jedoch abgelehnt.
In der Praxis droht auch beim Immissionsschutzgesetz ein großes Problem. In den Fahrzeugbriefen ist zwar der Stickoxidausstoß angegeben, doch nur der auf dem Prüfstand ermittelte. Für die Einfahrt in die Städte ist aber der tatsächliche Schadstoffausstoß maßgeblich, wie das Bundesumweltministerium bestätigt. Von den Besitzern älterer Diesel weiß folglich niemand, ob er künftig in die eine Verbotszone fahren dürfte oder nicht. Eine entsprechende Information sei Aufgabe des Verkehrsministeriums. Das ließ eine Anfrage dazu bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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