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Kein Geld mehr für Kiezblocks„Diese Senatorin will Veränderung verhindern“

CDU und Senat sollten die Maßnahmen für Verkehrssicherheit nicht torpedieren, findet die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann.

Die dürfen wohl bleiben: Poller im Bellermann-Kiezblock im Bezirk Mitte Foto: IMAGO / Jürgen Ritter
Interview von Claudius Prößer

taz: Frau Herrmann, CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde hat Mitte das Geld für das bezirksweite Kiezblock-Modellprojekt gestrichen und verkündet, das gelte künftig für die gesamte Stadt. Wie finden Sie diesen Move?

Clara Herrmann: Die Verkehrspolitik der CDU glänzt durch Ideenlosigkeit. Es gibt so viele Baustellen, die dringend angepackt werden müssen, von maroder Infrastruktur bis zur Krise der BVG. Stattdessen wickelt Frau Bonde Ideen für eine zukunftsfähige Stadt ab und greift in unsere originären Zuständigkeiten ein. Angesichts der Verwaltungsreform, die sich gerade im parlamentarischen Prozess befindet, ist das das Allerletzte. Genau hier haben wir doch schon klare Zuständigkeiten: Für Nebenstraßen sind die Bezirke zuständig. Das ignoriert die Senatorin komplett, um ihre ideologische Politik zu platzieren. Während Metropolen weltweit ins 21. Jahrhundert gehen und auf die menschenfreundliche Stadt setzen, agiert die Senatorin in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

taz: Was ist dran an der Begründung, Einsatzkräfte oder AnwohnerInnen seien bislang nicht ausreichend mitgedacht worden?

Herrmann: Das sind Scheinargumente und Nebelkerzen einer brachia­len Autopolitik. Es ist überdeutlich, dass die Wege in Berlin zum allergrößten Teil zu Fuß, auf dem Rad oder mit dem ÖPNV zurückgelegt werden. In fast allen Städten in Deutschland funktionieren FußgängerInnenzonen seit eh und je, da klappt auch die Versorgung problemlos. In unserem Bezirk werden natürlich die Träger öffentlicher Belange eingebunden, das ist in Mitte nicht anders. Was bei mir überwiegend ankommt, ist, dass vielen die Umsetzung von Verkehrsberuhigung nicht zügig genug geht. Die Anwohnenden wollen zum Beispiel, dass ihre Kinder so schnell wie möglich einen sicheren Schulweg haben.

Bild: Wolfgang Borrs
Im Interview: Clara Herrmann

Clara Herrmann (40, Bündnis 90/Grüne) ist seit 2021 Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.

taz: Sind Poller im Zweifel also nicht lebensgefährlich?

Herrmann: Nein, und die Debatte ist absurd. Sie ignoriert komplett, dass Poller für uns kein Selbstzweck sind. Sie sind an bestimmten Stellen notwendig, um für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen. Wir würden es selbst gerne ohne Poller machen, aber die sind nun mal notwendig, wenn Regeln wie Einfahrtverbote ignoriert werden, wenn Kreuzungsbereiche zugeparkt werden, wo dann Einsatzkräfte nicht um die Kurve kommen, weil Autos im Weg sind.

taz: Was macht Friedrichshain-Kreuzberg in Sachen Verkehrsberuhigung anders als Mitte?

Herrmann: Wir haben ebenfalls viele Initiativen, die über EinwohnerInnenanträge von der BVV beschlossen wurden. Allerdings haben wir darauf aufbauend entschieden, uns den gesamten Bezirk anschauen und haben ein Konzept der flächendeckenden Verkehrsberuhigung erarbeitet, die wir über eine Priorisierung Schritt für Schritt umsetzen. Die Grundlage dafür sind verschiedenste Daten wie Verkehrsgefährdung und Umweltgerechtigkeit. Auch die BVV hat dem zugestimmt.

taz: Und werden auch diese Maßnahmen von den Mittelkürzungen betroffen sein?

Herrmann: Das müssen wir uns genau anschauen. Auf den Ostkreuzkiez, in dem wir aktuell aktiv sind – als Nächstes richten wir eine Schulzone vor der Jane-Goodall-Schule in der Scharnweberstraße ein –, hat das keine Auswirkungen, weil da gar keine Gelder der Verkehrsverwaltung drinstecken. Das sind zum Teil Eigenmittel, zum Teil Mittel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Aber grundsätzlich sind die Berliner Bezirke natürlich finanziell komplett vom Land abhängig. Was es konkret am Ende bedeutet, wenn die Töpfe für den Fuß- und Radverkehr zusammengestrichen werden, kann ich jetzt noch nicht sagen. Was ich sagen kann: Wenn die CDU keine eigenen Ideen hat, sollte sie wenigstens die Bezirke an der Stadt der Zukunft arbeiten lassen.

taz: Sie haben die Verwaltungsreform erwähnt. Untergräbt der Senat gerade die Zustimmung der Grünen für dieses jahrzehntealte Projekt?

Herrmann: Das Vorgehen der Senatorin zeigt ganz deutlich: Für sie sind Regeln und das in der Verwaltungspraxis so wichtige Halten von Zusagen zweitrangig, wenn es darum geht, eine ideologische Message zu verbreiten und Veränderung zu verhindern. Wir sprechen schon lange über die Reform und dass es in Berlin klare Zuständigkeiten braucht. Was gerade aus der Verkehrsverwaltung kommt, ist das komplette Gegenteil. Eine Senatsverwaltung soll sich um gesamtstädtische Steuerungsaufgaben kümmern und nicht um die Poller in einem Kiezblock oder wie wir die Sicherheit vor einer Schule organisieren.

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