Die taz-Autoren stellen sich vor (I): Auf einmal in Frankfurt
Was ich mir als Reiseschriftsteller von der Buchmesse erwarte? Ich rechne nicht damit, dass diese Reise so entspannt werden wird, wie es meine Reisen ansonsten sind.
Eigentlich bin ich rein zufällig hier: Eingeladen war ein anderer Kritikerkollege, der aber besaß zum Erstaunen aller keinen Pass. So sprang ich vor drei Tagen als Ersatzkandidat ein.
Was ich mir von der Buchmesse erwarte? Bis vor vier Tagen hätte ich gesagt, als Reiseschriftsteller gilt mein Interesse vor allem Bildbänden, etwa über indische Religion oder über die Erkundung des brasilianischen Regenwalds. Doch natürlich geht es in Frankfurt neben der Literatur auch um Politik, und ich rechne nicht damit, dass diese Reise so entspannt werden wird, wie es meine Reisen ansonsten sind.
Vor dem Abflug in Peking – um 2.00 Uhr Ortszeit - stellte ich fest, dass etwa ein Drittel der Fluggäste Vertreter des chinesischen Verlagswesens auf dem Weg zur Buchmesse waren. Während wir auf den Abflug warteten, unterhielt ich mich mit ihnen. Natürlich über die Buchmesse.
Ying Zhongfeng, Verkaufsleiter des renommierten Verlages für wissenschaftliche und technische Literatur Elsevier, verriet mir, dass er auf der diesjährigen Buchmesse die englischen Ausgaben zweier Publikationen des ehemaligen chinesischen Staats- und Parteichefs Jiang Zemin vorstellen werde, nämlich "On the Developments of China’s Information Technology Industry" und "Research on Energy Issues in China". Das ist ganz sicher eine gute Nachricht für Forschungsinstitutionen auf den Gebieten der chinesischen Informations- und Energiepolitik.
Was mich seitdem aber viel mehr beschäftigt, ist die Frage: Wie wird der amtierende Staats- und Parteichef Hu Jintao auf der Buchmesse in Erscheinung treten? Seinen Besuch hat er nicht angekündigt. Sein potentieller Nachfolger Xi Jinping hingegen ist leibhaftig da, und sein Vorgänger im Amt Jiang Zemin ist immerhin in Buchform anwesend. Klarer Fall: Der amtierende Staatschef Hu muss sich etwas überlegen. Man muss wissen, dass in China das politische Geschäft häufig bedeutet, dass sämtliche politischen Vertreter gleichzeitig präsent sind.
Mein erster Eindruck von der Stadt Frankfurt – es scheint chinesischen Metropolen wie Shanghai oder Guangzhou zu ähneln ist eine von der wirtschaftlichen Globalisierung geformte Welthandelsmetropole. Allerdings bin ich nach dem zehnstündigen Flug noch immer etwas benommen. Die alten Städte Italiens oder Spaniens sind eher nach meinem Geschmack, doch wie es im Chinesischen heißt: "Nun bin ich hier und lasse alles auf mich zukommen." Und ich werde jetzt auf Entdeckungsjagd gehen und diese unerwartete Reise zu einer runden Sache machen.
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