■ Die komplizierte Haltung der Grünen zu der US-Politik im Irak: Zwischen Pazifismus und Bündnistreue
Mehr als einen Satz wollte sich der deutsche Außenminister zunächst nicht entlocken lassen. Saddam Hussein sei für die Bombardierungen selbst verantwortlich, meinte Joschka Fischer, und dann rutschte ihm irgendwie noch ein „bedauerlich“ dazwischen. Keine öffentliche Kritik an der abenteuerlichen Kanonenbootpolitik der USA, dafür die pflichtgemäß absolvierte Bekundung, daß Deutschland treu zum Bündnis steht.
Die Irakkrise hat das Dilemma gezeigt, in dem sich die Grünen befinden: als eine Partei, die ihre Wurzeln in der Friedensbewegung der 80er Jahre hat und die nun den Außenminister stellt. Daraus erwächst ein Problem, für das es nur mehr oder weniger schlechte Lösungen gibt.
Von rechts kam der Vorschlag, daß die Grünen sich nun – endgültig und unisono – von ihren pazifistischen Jugendträumen verabschieden sollten. Von links ertönte der übliche Verratsvorwurf: kaum Minister, schon die Seiten gewechselt.
Doch die Dinge liegen komplizierter: Weder das eine (Schwört dem Pazifismus ab!) noch das andere (Spielt Opposition in der Regierung!) sind produktive Wege, um den Rollenkonflikt der Grünen zwischen pazifistischer Herkunft und Regierungsverantwortung zu bearbeiten.
Die Frage lautet: Wäre es politisch klug gewesen, wenn Fischer die USA und Großbritannien frontal kritisiert hätte? Hätte es dazu beigetragen, die Angriffe möglichst schnell wieder zu beenden? Wohl kaum. Die Entscheidung fiel in Washington – und dort ließ man sich auch nicht von den vorhersehbar ablehnenden Reaktionen der UNO, von Rußland, China, den arabischen Ländern und Frankreich abhalten. Fischer hat mit seiner Zurückhaltung nicht die Chance versäumt, etwas für den Frieden zu tun. Mit einer harschen Kritik an den USA hätte er eher die Ebenen von Diplomatie und deklamatorischer Politik verwechselt.
Die Rolle der Kritiker übernahmen manche andere Grüne, das Sprecherinnen-Duo sowie Angelika Beer und Helmut Lippelt. Sie monierten den Bruch des Völkerrechts und die Schwächung der Rolle der UNO – doch auch hier war der Ton gedämpft.
Dies scheint das Modell der Grünen zu sein: Fischer schweigt diplomatisch, die Partei hißt zaghaft die Fahne grüner Militärkritik. Dies ist ein provisorisches Modell. Doch gibt es ein besseres?
Zudem geht es für die Grünen als Regierungspartei nicht mehr darum, bloß recht zu haben, sondern darum, das Richtige zu tun. Die Lage im Irak ist so schlimm wie seit langem nicht, die UNO von den USA desavouriert. In Frankreich denkt Chirac bereits darüber nach, wie man eine neue internationale Rüstungskontrolle im Irak installieren kann, verbunden mit einer Aufhebung des Embargos. Aus dieser Idee gilt es eine politische Initiative zu machen. Fischer – übernehmen Sie! Stefan Reinecke
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