Die erste könnte die letzte sein

■ Bei den Landwirten an Rhein und Ruhr herrscht Ratlosigkeit: Wie soll die Hanfernte von den Feldern kommen, und was soll mit den Pflanzen dann passieren?

Hans-Bernd Hartmann hatte geladen. Und zwar zum 2. NRW- Hanftag. Der Leiter des Projektbüros „Hanf“ wollte Ende August von Experten, Politikern und Industrievertretern endlich wissen, wie sie die Perspektiven für den Hanfanbau in Nordrhein-Westfalen einschätzen.

In der praktischen Politik ist aber Euphorie kaum zu spüren. Einziges Signal aus dem NRW- Landwirtschaftsministerium: Es gibt Geld für eine Studie. Das von Michael Karus geführte nova-Institut soll herausfinden, wo in NRW überall Cannabis sativa angebaut wird und wo sich Abnehmer finden lassen. „Wenn die Industrie nicht mitzieht, dann wird der Hanfanbau ein Flop“, meint Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen). „Der Hanfanbau muß sich selbst tragen.“ Subventionen für den Aufbau industrieller Hanfverarbeitungskapazitäten gibt es an Rhein und Ruhr nicht.

Im Interesse der Hanfbauern – immerhin haben 30 Landwirte knapp 31 Hektar angebaut – ist eine Umverteilung von Fördergeldern nicht vorgesehen. „Ein paar Mark für eine Studie, mehr ist aber auch nicht drin“, sagt Matthias Renner, Hanfexperte beim Kölner Katalyse-Institut. Er ist davon überzeugt, daß der Hanfanbau politisch überhaupt nicht gewollt ist. Wenig Unterstützung in Düsseldorf durch Rot-Grün, und in Bonn hat die Flachs-Lobby im Landwirtschaftsministerium Hanf auf Eis gelegt.

Oliver Scharf, Verkaufsleiter der Firma Temafa aus Bergisch Gladbach, hat für die Hanffaser- Aufbereitungsanlagen noch keinen einzigen Kunden gefunden. „Die Investoren halten sich zurück“, meint Scharf. Dabei funktioniert die riesige Pilotanlage tadellos. Aus dem Hanfstroh können innerhalb weniger Minuten die Fasern von den holzigen Schäben getrennt werden. Technisch ist die Weiterverarbeitung in NRW kein Problem. Doch in den Auftragsbüchern der mittelständischen Firma herrscht gähnende Leere. Seine Erklärung: „In Bonn sind bislang rund 60 Millionen in den Flachsanbau gesteckt worden. Das Ergebnis ist ziemlich mager. Jetzt will keiner noch einmal Millionenbeträge in den Hanfanbau stecken.“

Für die Hanfbauern gibt es zur Zeit noch ganz andere Probleme zu lösen. Sie müssen sich überlegen, wie sie die Cannabispflanzen von ihren Äckern bekommen. Heinrich Nölke ist der einzige, der nicht nur 2 Hektar Hanf angebaut, sondern gleichzeitig rund 100.000 Mark in den Umbau eines Maishäckslers investiert hat. Er verfügt über die einzige Hanferntemaschine in NRW. Doch bei der Präsentation des Prototyps auf dem 2. NRW-Hanftag gab es keinen Beifall für seine Pionierleistung. „Wer die Maschine zur Ernte einsetzt, der kann das Hanfstroh direkt auf dem Acker liegenlassen und als Biodünger untergraben“, meint Albert Dun, Hanfkenner der holländischen Firma Hemp Flax.

Doch was tun, wenn in diesen Tagen die Ernte eingefahren wird? Besonders clevere wie Bernd Schmitz, Milchbauer aus der Ortschaft Hanf bei Hennef, haben sich was Besonderes einfallen lassen. Zusammen mit der internationalen Friedensorganisation Service Civil International (SCI) hat er ein Ernte-Work-Camp auf seinem Hof organisiert. 15 Jugendliche aus zehn europäischen Ländern werden ihm tatkräftig unter die Arme greifen bei der Ernte. „Ich muß bei der ersten Ernte improvisieren. Da fällt mehr Handarbeit an“, meint Bernd Schmitz. Und die Profis in der Branche, wie der Landmaschinenhersteller Claas aus Harsewinkel, halten sich erst einmal zurück. „Erst wenn mindestens 400.000 Hektar und mehr in Deutschland angebaut werden, steigen wir in die Hanfgeschichte ein“, sagt Claas- Pressesprecher Horst Biere.

Tatsache ist, daß die Erntetechnik und der wichtige erste Verarbeitungsschritt, die Faseraufbereitung, in NRW kurzfristig realisierbar wären. Nur will niemand auf den Hanfzug so richtig aufspringen. Michael Karus hofft auf den langen Atem bei den Hanfbauern. Seine Befürchtung: „Wenn die Probleme mit der ersten Ernte zu groß werden und jetzt auch noch die EU-Subventionen gekürzt werden, dann könnten im nächsten Jahr auf den Hanfäckern zwischen Paderborn und Königswinter womöglich wieder Kartoffeln wachsen.“ Doch die Bauern müssen erst einmal zusehen, wie sie ihre Pflanzen vom Acker kriegen. Michael Franken