Die deutsche Wirtschaft schrumpft: Keep calm and relax
Minus 0,1 Prozent sind kein Grund zur Panik, sagt die Bundesregierung. Allerdings kündigen Zahlen aus den USA von schlechten Zeiten.
Und während auch die Eurozone insgesamt leicht wuchs, schrumpfte die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,1 Prozent. Als Gründe gibt das Statistische Bundesamt vor allem den Außenhandel an. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen sanken im Vergleich zum Vorquartal stärker als die Importe.
Die Abkühlung der Weltwirtschaft, die Unsicherheiten wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie die Unwägbarkeiten des Brexits belasten die exportorientierte deutsche Industrie. Hinzu kommt der Strukturwandel in der Autoindustrie durch die Elektromobilität: Die Renditen sinken wegen der hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung, schrieb am Dienstag das Center of Automotive Management aus Gladbach. Vor allem die Chinesen kaufen deutlich weniger Autos – was für Ökonomen auch ein Hinweis ist, dass die Wirtschaftsdaten dort schlechter aussehen, als von Peking kommuniziert.
Es kann auch schnell wieder bergauf gehen
Für das Klima mag das erfreulich sein, für die deutsche Wirtschaft eher nicht. Aber heißt das jetzt, dass es eine Rezession gibt und erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder steigende Arbeitslosenzahlen? „Ökonomen haben noch nie eine Rezession rechtzeitig vorhergesagt“, sagt Peter Bofinger dazu am Telefon. Der Mann muss es wissen, er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und war von März 2004 bis Ende Februar 2019 einer der fünf Wirtschaftsweisen. Er verweist damit auf den Umstand, dass es aus der gegenwärtigen Situation heraus auch schnell wieder bergauf gehen kann.
Darauf setzt offenbar die Bundesregierung, die zwar von einem „Weckruf und ein Warnsignal“ (Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der Bild) spricht, sonst aber eher auf das „Prinzip Ruhe bewahren“ setzt. Wohl auch, um Ausgabenwünsche abzublocken. Immer mehr Akteure fordern jetzt vom Staat, mit Investitionen die Konjunktur zu stützten – der einflussreiche Industrieverband BDI etwa wünscht sich, die Bundesregierung möge die Spielräume der Schuldenbremse voll ausnutzen. Die sieht ja nicht die derzeit praktizierte schwarze Null vor, sondern ließe eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des BIP zu. Die Antwort der Bundesregierung am Mittwoch: no way.
Bofinger hat eine andere Idee: „Unternehmen, die jetzt in neue, effizienter Technologien investieren, müssten den Betrag sofort komplett abschreiben können“, sagt er. Abschreiben heißt: Beispielsweise eine Maschine kaufen und die Kosten in der Steuererklärung ansetzen, damit weniger Gewinn ausweisen und weniger Steuern zahlen. Normalerweise zieht sich eine solche Abschreibung über mehrere Jahre hin. Den Unternehmen stünde schneller Geld für neue Investitionen zur Verfügung, dem Staat würden unter dem Strich keine Steuern entgehen.
Was in Deutschland gestern unbeachtet blieb, ist eine Meldung aus den USA: Dort werfen erstmals seit 2005 kurzfristige Staatsanleihen mehr Zinsen ab als langfristige. Normalerweise wollen Investoren, die ihr Geld lange an den Staat verleihen, dafür höhere Zinsen sehen, als wenn sie es nur kurz verleihen. Schließlich kommen sie lange nicht an ihr Geld ran. Kehrt sich der Trend um, ist das ein deutliches Zeichen der Verunsicherung in der Wirtschaft: Sämtliche sieben Rezessionen seit 1969 ging eine solche Umkehr der Verzinsung voran.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden