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■ Die deutsche Sozialdemokratie nach dem WahldebakelWen interessiert die SPD?

Eine Lehre aus der schweren Niederlage der SPD stand für Gerhard Schröder schon am Wahlabend fest: Es dürfe nicht mehr mit so vielen Stimmen gesprochen werden, erklärte der Kanzler.

Er hat Recht. Schröder hat mit dieser Bemerkung wohl vor allem seinen parteiinternen Kritikern einen Seitenhieb versetzen wollen, von denen er sich mehr Solidarität wünscht. Aber das Problem der SPD liegt tiefer. Es besteht nicht nur in einem offenen Streit über den richtigen Kurs. Die grundsätzliche Haltung sozialdemokratischer Spitzenpolitiker zu ihrer eigenen Partei ist eine wesentliche Ursache der Misere.

Wer hält es eigentlich noch für ein zentrales Anliegen der politischen Arbeit, der SPD als Ganzer zum Erfolg zu verhelfen? Viele Namen sind es nicht, die einem da einfallen. Schröder, Peter Struck und noch verbliebene Landesfürsten wie Wolfgang Clement oder Gerhard Glogowski: Sie alle sehen in ihrer Partei, je nach Anlaß, mal ein nützliches Instrument und mal ein lästiges Hindernis auf dem Weg zur Verfolgung eigener Ziele.

Es ist nicht ehrenrührig, sein Amt behalten zu wollen, nach parlamentarischen Mehrheiten zu suchen und sich um Geld in der Landes- oder Staatskasse zu bemühen. Aber wenn SPD-Spitzenpolitiker alles andere für wichtiger halten als die Zukunft der Sozialdemokratie, dann wird eben die Partei von innen her ausgehöhlt.

Eine Zeitlang sah es so aus, als sei Oskar Lafontaine die Ausnahme von dieser Regel und ein ebenbürtiger Nachfolger von Männern wie Kurt Schumacher, Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel. Die Art und Weise seines schnellen, beleidigten Abgangs hat diese Annahme widerlegt. So ruhen denn nun alle Hoffnungen der SPD auf dem künftigen Generalsekretär Franz Müntefering. Indem er auf ihn setzt, hat Schröder seine bisher vielleicht klügste Personalentscheidung getroffen.

Müntefering hat in den letzten Jahren mehrfach bewiesen, dass er sich in zweifacher Hinsicht von fast allen seiner prominenten Parteifreunde unterscheidet: Er verwechselt Loyalität nicht mit einem Zweckbündnis auf Zeit, und er ist, erstaunlicher noch, bemerkenswert uneitel. Vor die Kameras tritt er, wenn er etwas zu sagen hat. Sonst nicht.

Alleine jedoch wird er die Partei nicht retten. Franz Müntefering ist ein guter Organisator und ein geschickter Parteistratege, aber er ist kein Vordenker. Nach dem wird in der SPD weiter gefahndet.

Bettina Gaus

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