Das Portrait: Die bürgerlich Frauenbewegte
■ Helene Lange
Sie soll faszinierend gewesen sein, eine imposante Erscheinung, wenn sie sich auf Versammlungen furchtlos zu Wort meldete. So sahen sie ihre Anhängerinnen. Ihren Gegnerinnen war sie zu autoritär, zu schroff und viel zu bürgerlich. Kämpferisch, aber pragmatisch trat sie für das ein, was nicht nur ihr Beruf war, sondern ihre Berufung wurde. Helene Lange war Lehrerin, eine der einflußreichsten Reformerinnen der Mädchenpädagogik und führend in der bürgerlichen Frauenbewegung.
Heute wäre sie 150 Jahre alt geworden. Als sie am 9. April 1848 in Oldenburg geboren wurde, hatte sie „das Pech, ein Mädchen zu sein“. Sie verweigerte sich jedoch dem von ihr erwarteten Lebensentwurf – Mann, Kinder, Haushalt. Mit knapp 23 Jahren verließ sie das „geistige Ödland“ und kam nach Berlin. Hier legte sie 1872 das Lehrerinnenexamen ab. „Lehrerin sein, hieß damals Lehrergehilfin zu werden.“ Das wollte sie nicht länger hinnehmen und setzte sich dafür ein, daß Lehrerinnen künftig eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung bekamen. Ihr Ziel war es, Mädchen den Zugang zu höheren Schulen zu ermöglichen, damit sie Abitur machen und studieren konnten. Denn nur mit einem qualifizierten Beruf, so Lange, könnten die Frauen ein vom Mann finanziell unabhängiges Leben führen.
Anders als der radikale Flügel der Frauenbewegung, wollte sie „die männlich geprägte Welt mit all ihren Fehlentwicklungen“ durch den weiblichen Einfluß verbessern. Obwohl sie lange gemeinsam mit Minna Cauer vom radikalen Flügel für eine Reform der Mädchenausbildung kämpfte, zerstritten sie sich dann über die Positionen, die die Frauenbewegung zum Ersten Weltkrieg beziehen sollte.
Über Helene Langes Privatleben ist nur wenig bekannt. In ihren Lebenserinnerungen findet sich dazu fast nichts. Briefe hat sie grundsätzlich nicht aufbewahrt. Lange litt an einer Augenkrankheit, die sich mit zunehmendem Alter verschlimmerte. Ohne die Hilfe ihrer 25 Jahre jüngeren Lebensgefährtin Gertrude Bäumer hätte sie nicht weiterarbeiten können. Gemeinsam gaben sie das fünfbändige Handbuch der Frauenbewegung, ein Standardwerk über die erste deutsche Frauenbewegung, und die Monatszeitschrift Die Frau heraus. Mit 82 Jahren, am 13. Mai 1930, starb Helene Lange in Berlin. Michaela Eck
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