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Die Wochenvorschau für BerlinMenschen sind kein Müll

Anstatt Obdachlosigkeit zu bekämpfen, behandelt die Stadt Menschen, die auf der Straße leben, unwürdig. Am Tag der Wohnungslosen regt sich Widerstand.

Müllreinigung im Görli: Saubermachen ist ein Wort, dass niemals in Bezug auf Menschen verwendet werden sollte Foto: dpa | Jörg Carstensen

Berlin taz | Es war der Wunsch nach einem sicheren und warmen Schlafplatz, der einem 33-Jährigen Mitte März zum Verhängnis wurde. Der obdachlose Mann schlief in einem Papiercontainer, die Müllabfuhr bemerkte ihn nicht. Er verstarb noch an Ort und Stelle an seinen Verletzungen. Der Fall sorgte stadtweit für Bestürzung. Im Umgang mit Menschen, die auf der Straße leben, hat sich seitdem leider nichts geändert. Noch immer werden sie als Problem betrachtet, vertrieben und verdrängt.

Jüngste Beispiele: Der Görlitzer Park, um den ein Zaun gebaut wird, um die dortige Drogenszene zu vertreiben. Gleichzeitig werden dringend notwendige Sozialprojekte nicht weiter finanziert. Am Alexanderplatz baut die Deutsche Bahn den Bahnhof obdachlosenfeindlich um.

So sollen Teile des Untergeschosses, die bislang vielen obdachlosen Menschen als vor Wetter geschützte Zufluchtsorte dienten, nach der Modernisierung geschlossen werden. „Reduzierung von Aufenthaltsmöglichkeiten für Nichtreisende, wie zum Beispiel Wohnungslose“ heißt das im Konzernsprech.

Menschen sind kein Müll

Mit dem Tag der wohnungslosen Menschen am Donnerstag wollen Sozialverbände gegen die sich immer weiter verschärfende soziale Kälte aufmerksam machen. Am Vorabend veranstalten die Stra­ßen­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen von Gangway ab 17 Uhr eine Kundgebung im Görli. „Menschen sind kein Müll“, lautet das Motto, das zugleich eine Forderung ist für den menschenwürdigen Umgang mit allen, die auf der Straße leben. Am Aktionstag selbst findet eine Kundgebung um 16 Uhr am Fernsehturm gegen die Umbaumaßnahmen am Bahnhof statt.

Alarmierend wird der Donnerstag auch noch in anderer Hinsicht: Zum ersten Mal werden in Berlin zum nationalen Warntag um 11 Uhr auch die Sirenen erklingen – zum ersten Mal seit 30 Jahren. Damit der Sound stadtweit gut hörbar ist, will der Senat bis Ende des Jahres 450 Sirenen installiert haben.

Laut wird auch die Rave-Demo „Wem gehört die Stadt“ die am Samstag durch den durchgentrifizierten Prenzlauer Berg zieht. Denn einer der Hauptgründe für Wohnungslosigkeit bleibt die kapitalistische Verwertung der Stadt, die Mieten in die Höhe treibt und bezahlbaren Wohnraum verknappt. Allein 2024 wurden 2.495 Haushalte zwangsgeräumt, nicht selten direkt in die Wohnungslosigkeit.

Eine naheliegende Maßnahme wäre es, leerstehende Gebäude zu öffnen für Menschen, die sie benötigen. Mit gutem Beispiel voran geht die Stadt mit dem ehemaligen Kongresszentrum ICC, das anlässlich des Tages des offenen Denkmals für Be­su­che­r:in­nen geöffnet wird – leider nicht dauerhaft, sondern nur von Donnerstag bis Sonntag. Neben kostenlosen Besichtigungen gibt es noch viele weitere Veranstaltungen wie Yoga, Filme und Underground Cycling.

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