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Die Wochenvorschau für BerlinBetreiben Sie Müßiggang!

Wir befinden uns mitten in den Sommerferien – Zeit für die schönen Dinge! Aber auch die sind natürlich mitunter politisch.

Alles ein bisschen free floating: Es ist Sommer in der Stadt Foto: picture alliance/dpa/PA Wire | Victoria Jones

Wir befinden uns mitten in den Berliner Sommerferien, quasi Halbzeit, die vierte Ferienwoche beginnt. Was machen Sie gerade? Nicht viel, hoffentlich. Ein blödes Sprichwort heißt ja, Müßiggang ist aller Laster Anfang, wer das als Erster mal laut gesagt hat, konnte mir das Internet leider nicht verraten. (Auf Leser*innen-Kommentare, die meinem mangelhaften Allgemeinwissen freundlich auf die Sprünge helfen wollen, freue ich mich.) Jedenfalls, was ich sagen wollte: Betreiben Sie Müßiggang! Es ist nämlich echt nichts los in der Stadt. Und wenn Sie schon etwas tun wollen, machen Sie etwas Schönes.

Am Montag zum Beispiel startet zum sechsten Mal das Space Festival Berlin. Den ganzen Monat August hindurch öffnen Kunstschaffende ihre Ateliers, Projekträume und Werkstätten und setzen sich im weitesten Sinne mit dem Raumbegriff auseinander. Raum ist ja gerade etwas, was der freien Kunst- und Kulturszene in einer immer teurer werdenden Stadt wie Berlin immer dringlicher fehlt.

In dem Sinne will vermutlich auch die Performance verstanden wissen, die man am Dienstag im Projektraum New Fears im Wedding im Rahmen des Space Festivals erleben kann: „Crush“ heißt der „performative Supermarkt“, dessen Angebote sich „um das Thema des Verlangens und des Unerreichbaren“ drehen, wie es auf der Programm-Website heißt.

Unerreichbar ist für viele auch ein Ticket für die Performer, die am Mittwoch auf einer etwas größeren Bühne ihre Show abziehen: Die Rolling Stones geben ein Konzert in der Waldbühne, sie gönnen sich gerade eine 60-Jahre-Bühnenjubiläumstour und bessern sich noch mal ein bisschen die Rente auf: Tickets gibt’s natürlich schon lange nicht mehr, die billigsten gab es für knapp 200 Euro.

Kleines Trostpflaster

Am 15. September anno 1965 zerlegten ihre Fans übrigens in Ekstase die Waldbühne, auf die sie nun ein weiteres Mal zurückkehren – aber inzwischen dürfte das Publikum ein bisschen zur Ruhe gekommen sein, so Konzertbesucher von damals noch unter den Lebenden weilen. Kleines Trostpflaster für alle, die kein Ticket haben: Radioeins vom RBB spielt am Mittwoch jede Stunde zwei Songs von den Stones.

Wem das jetzt alles hier zu viel Pop und zu wenig Politik ist: Am Donnerstag um 20 Uhr spielt das Ukrainian Freedom Orchestra im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. In dem Klassik-Ensemble, das sich anlässlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gegründet hat, spielen auch viele geflüchtete Musiker*innen. Das Orchester befindet sich gerade auf Tournee durch Europa und die USA. In Berlin spielen sie im Rahmen der Young.Euro.Classics, dem Festival europäischer Jugendorchester, das noch bis zum 21. August andauert.

Ach so, und die Sache mit dem Müßiggang. Franz Kafka wird zugeschrieben, den Spruch so vervollständigt zu haben: Müßiggang ist aller Laster Anfang, aller Tugenden Krönung. Tja, was gibt’s da noch zu sagen?

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2 Kommentare

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  • Und es ist doch was los in der Stadt - und es ist wichtig. Gerade auch wegen des Müßiggangs auf längere Sicht (und nicht nur für Privilegierte):



    Der Volksentscheid für ein Pilotprojekt eines Bedingungsloses Grundeinkommen sammelt Unterschriften und sucht noch Unterschriften-Sammler*innen:



    www.volksentscheid-grundeinkommen.de/

  • ... aber inzwischen dürfte das Publikum ein bisschen zur Ruhe gekommen sein, so Konzertbesucher von damals noch unter den Lebenden weilen. ..



    Gröhlinger!(Irgendwann mal im Pleistozän, haben wir an allet... inger angehängt.)



    ...Der große Schriftsteller, demokratische Revolutionär und Naturwissenschaftler Georg Büchner (geb. 1813, gest. 1837) lässt Prinz Leonce beklagen: „Es krassiert ein entsetzlicher Müßiggang. – Müßiggang ist aller Laster Anfang. – Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studieren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheiraten und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile…“



    Der Prinz entpuppt sich selbst als herausragender Vertreter der fürstlichen Langeweile: spucken, Sand werfen, Wolken beobachten, Zeit totschlagen und Ähnliches mehr...



    Juti! Wat will man mehr!