Die Wochenvorschau für Berlin: Hier ist Berlin!
Im Berliner Ensemble kann man den Schauspieler Matthias Brandt erleben, und den Schlager darf man auch mal feiern. Hossa, das wird eine schöne Woche.
Die Welt erfassen, darum geht es doch in der Literatur, und die Beziehung zu ihr, sie wird erschrieben. Zwei Zitate dazu aus wirkmächtigen Beispielen der Literaturgeschichte: „Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Geschichte dazu – man kann nicht leben mit einer Erfahrung, die ohne Geschichte bleibt, scheint es, und manchmal stellte ich mir vor, ein anderer habe genau die Geschichte meiner Erfahrung …“.
Und, zweitens: „Hossa!“
Das erstere, etwas längere Zitat stammt aus dem 1964 erschienenen Roman „Mein Name sei Gantenbein“, in dem der Schweizer Schriftsteller Max Frisch der Frage nach Identität nachspürt und was das überhaupt für eine Konstruktion sei, das „ich“, und ob man das nicht auch erfinden könne und sich andere Ichs aneignen, die Identitäten in spielerischer Aneignung durchprobieren. Leben im Konjunktiv: „Ich stelle mir vor“, ist der leitmotivische Satz, der immer wieder vorkommt in Frischs Roman, mit diesen vier Worten lässt er sich präzise zusammenfassen.
Und „Hossa“ ist ein Textbaustein in dem von dem Sänger Rex Gildo 1972 bekannt gemachten Lied „Fiesta Mexicana“, in dem es um einen Abschied geht und eine Carmencita geküsst wird, die nicht weinen solle. Zwischendurch wird immer wieder ein Hossa geschmettert.
Es geht also in dieser Woche um Schweizer Hochkultur und den Deutschen Schlager. Der wiederum wird ja weniger oben angesiedelt, sondern doch in den Niederungen der Kultur vermutet. So ein schwül dampfender Tümpel, wo er sich in seiner Einfalt suhlt. Seine Weihestätte hat der Deutsche Schlager übrigens in Berlin.
Zuerst aber die Hochkultur, die mit Matthias Brandt auf die Bühne kommt. Den Schauspieler, den man aus dem Fernsehen zumindest aus dem Münchner „Polizeiruf 110“ kennen sollte, wie er sich da sieben Jahre lang traumwandlerisch in die Rolle des Hauptkommissars Hanns von Meuffels schmiegte. Jetzt aber gilt es seine Rückkehr auf die Theaterbühne zu feiern. Im Berliner Ensemble gibt Matthias Brandt in einer Monologfassung von Frischs Gantenbein-Roman dieses „Ich stelle mir vor“. Premiere ist am Freitag, Probeneinblicke die Tage davor, eventuell gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.
Und das mit der Einfalt des Schlagers mag manchmal stimmen und dann halt auch wieder nicht. In Sachen Vielfalt kann er es nämlich durchaus mit Frischs Figurenpersonal und dessen fluider Identitätssuche aufnehmen, wenn man nur mal die Auftretenden bei der allerersten ZDF-Hitparade (bestimmt die beliebteste Wiege des Deutschen Schlagers) ins Auge nimmt.
Unter den 14 SängerInnen finden sich neben denen mit der mehr oder weniger treudeutschen Herkunft eben auch die mit einem schwedischen, britischen, französischen, niederländischen, tschechoslowakischen und jugoslawischen Hintergrund. In späteren Folgen wurde das durchaus noch diverser, was man schon auch mal feiern kann, mit dem Tag des Deutschen Schlagers, der immer am dritten Samstag im Januar stattfindet. Also jetzt am Samstag. In Erinnerung eben an die ZDF-Hitparade, die am 18. Januar 1969 erstmals ausgestrahlt wurde.
Rex Gildo war übrigens gleich beim Auftakt dieser Weihestätte dabei, die das eigentlich in Mainz angesiedelte Zweite Deutsche Fernsehen dem Deutschen Schlager schenkte. Die Hitparade aber hatte ihren Sendeplatz hier, in Berlin. Ein Ort der Vielfalt und kulturellen Toleranz: Deswegen erinnert man sich doch gern, wie Hitparaden-Moderator Dieter Thomas Heck immer am Anfang der Sendung freudig erregt ins Mikro schrie: „Hier ist Berlin!“
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