Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Das Royal Baby hat keinen populistischen Namen. Was an der Nationalymne schlecht ist und warum wir lieber Dinos als Vegetarier werden sollten.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Aufrufe aller zur Europawahl pflastern die Stadtmöbel.
Und was wird besser in dieser?
Übertreibt nicht, ich wollte eh hingehen.
Das Royal Baby ist da und trägt den würdevollen Namen Archie Harrison Mountbatten-Windsor. Wäre Ihnen ein besserer eingefallen?
Populistisch wäre „Oliver Jack Harry Mohammed“ gewesen, um die Topplatzierungen der britischen Namenscharts abzugrasen. Den Sohn von Harry Harrison zu taufen überrascht weniger als korrektes „Meganson“. Die Kurzform des „echt kühnen“ (althochdeutsch „Erchanbald“) Archibald wirkt so hübsch aus der Zeit gepurzelt wie die ganze Firma, die er repräsentieren wird.
Der Iran kündigt an, Teile des Atomabkommens nicht mehr umzusetzen. Während europäische Staaten fordern, dass Teheran seinen Verpflichtungen weiter nachkommt, setzen die USA ihren harten Kurs gegen den Iran fort. Ist der Deal noch zu retten, oder gerät jetzt alles aus den Fugen?
Man schaudert, dass Trump sich für seine Wiederwahlkampagne einen zünftigen Krieg zurechtlegt. Seine Strategie, aus Gemeinschaftsverträgen (Weltklima, Iran-Atom, Handelsabkommen) auszusteigen und Zweistaatendeals durchzusetzen, erinnert an das Gewirr aus Abkommen, die in den Ersten Weltkrieg mündeten.
Im Uefa-Champions-League-Finale treffen Tottenham und Liverpool aufeinander, im Europa-League-Finale Chelsea und Arsenal – alles englische Mannschaften. Was können die, was der Rest nicht kann?
Den Satz „Geld schießt keine Tore“ wegpöhlen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wünscht sich eine neue Nationalhymne. Was ist schlecht an der jetzigen?
Ihre Zukunft. Ramelow hat recht: Mancher Ossi sehnt sich nach der „Spalterhymne“, Johannes R. Bechers „Auferstanden aus Ruinen“ – musikalisch eine mäßige Coverversion des Hans-Albers-Klassikers „Goodbye Johnny“. Andere schwiemeln immer noch vom „über alles“ der verbannten ersten Strophe, die amtliche dritte wäre inzwischen bei „brüderlich mit Herz und Hand“ genderfällig. Kurz: Wir haben nichts „aus vollem Herzen zu singen“. Den Punkt zu machen war mal fällig; wir haben auch keine gemeinsame Verfassung, „die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“, wie es Art. 146 GG vorsieht.
Der Weltbiodiversitätsrat zeichnet mit seinem ersten globalen Bericht ein erschreckendes Bild: Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind menschliche Aktivitäten. Müssen wir jetzt alle Vegetarier werden?
Nee, Dinos. Die horrenden Zahlen lesen sich, als würden die Dinosaurier kurz vor ihrem Aussterben der Erde sagen: Wollen wir doch mal sehen, wer am Ende übrig ist! Im „Anthropozän“, dem „Menschzeitalter“, wüten wir als bestimmende Naturgewalt; vorher passte sich jede Lebensform der Umwelt an. Dagegen der Mensch „macht sich die Erde untertan“ und zockt auf die Gutmütigkeit der Schöpfung. Es ist eine Wette: Sind wir ein Parasitenbefall – oder beginnen wir gerade erst, uns durchs Universum zu fressen? Gemessen an der Größe dieser Frage wäre es doch solider, alle erreichbaren Maßnahmen zum Artenschutz zu treffen. Sonst zeigt die künstliche Intelligenz eines Tages ihren Kindern Filme über „Sapiens Park“.
Schlechter Verlierer. Die türkische Wahlbehörde hat nachgegeben, also wird die Bürgermeisterwahl in Istanbul wiederholt. Wird jetzt so lange gewählt, bis die AKP gewinnt?
Das Wahlergebnis von Istanbul war ein tückisches Argument für das Erdoğan-Regime: Seht ihr, es gibt freie Wahlen in der Türkei, so frei, dass die Opposition siegen kann. Das ist er nun los.
Jugendliche trinken heutzutage immer weniger Alkohol. Haben 2004 noch 21,2 Prozent der 12- bis 17-Jährigen wöchentlich getrunken, sind es jetzt nur noch 8,7 Prozent. Ein Grund zur Freude?
Die Alkopopkultur scheint durch. Das „Rauschtrinken“, vulgo „Komasaufen“ hält laut der Untersuchung an. Kein Grund also, sich an der Studie zu besaufen.
Im Oktober 2020 sollte sie endlich stattfinden: die Eröffnung des Berliner Flughafens BER. Doch nun verkündete Airport-Chef Engelbert Lütke Daldrup, dass der Termin „nicht mehr uneingeschränkt garantiert werden“ könne. Ist Ihnen zum Lachen oder zum Weinen zumute?
Inzwischen ist auch von „Teilrückbau“ die Rede, ein Sprachdessous für „Abriss“. Man kann das Desaster auch als Modellfall lesen: Kaputtgesparte Behörden sind außerstande, tollwütige Firmen zu bändigen. Dann die ganze Bude in Kunstharz gießen und „Denkmal des Neoliberalismus“ dranschreiben.
Und was macht Borussia?
Schöne Plakate „BVB gegen Nazis“ in den „Wall“-Werbetonnen in Dortmund. Der Verein, das Bundesfamilienministerium und die Aussteigerhilfe „Exit“ präsentieren Profi-Zitate wie „Lieber Schalkesieg als Nazikrieg“. Zu schön, um wahr zu sein – die angeblichen Absender wissen von nix. Gibt es jetzt auch ein „Zentrum für fußballerische Schönheit“? Fragen: CAS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“