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Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Eine Waldorfschule schießt sich selbst ins Knie. Der Spiegel inszeniert sich. Friedrich Merz hat in allen fraglichen Ämtern null Erfahrung.

Reine Selbstbespiegelung? Der Fall Claas Relotius wird beim „Spiegel“ ganz hoch gehängt Foto: Unsplash/Ria Alfana

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Vor Aufregung um den Branchen-GAU habe ich vergessen, einen Baum zu kaufen.

Was wird besser in dieser?

Sägen, was ist.

In Berlin will eine Waldorfschule das Kind eines AfD-Politikers nicht aufnehmen. Richtig so?

Auf jault liberaler Humanismus gegen diesen Akt der Ausgrenzung, wo sonst Liberalismus röchelt und Ausgrenzung Trumpf ist: Rechts. Einen Schulhof weiter, bei Katholens, zahlen wir alle an die 100 Prozent des Geldes, mit dem die Päpstlichen dann bei Lehrpersonal, Stoff und Schülerschaft wüten nach vatikanischem Ermessen. Die Berliner Waldorfschule hatte dreißig Plätze auf 140 Bewerber zu verteilen – und sich bei einer von 110 Absagen waidgerecht ins Knie geschossen. Schon fordert der bildungspolitische Sprecher der Steinerschen, der Staat möge schneller mehr Geld für Waldorfschulen herausrücken.

Das ist, bei Licht betrachtet, die dummdreisteste Reaktion: Wo Ideologie, Sektengusto und private Interessen in die Schulen züngeln, sollen wir den Blödsinn sauber durchfinanzieren. Der Vorgang spricht für mehr staatliche und weniger private Schulen, und keine staatliche Schule kann ein Kind ablehnen. Die Waldörfler distanzierten sich 2007 in ihrer „Stuttgarter Erklärung“ von Rassismus und Nationalismus, nicht jedoch von Rudolf Steiner selbst – einem glühenden Antisemiten und hochesoterischen Rasseschwurbler. Dass AfDler da Nähe suchen, überrascht nicht.

Der Journalist Claas Relotius galt als herausragender Reporter beim Spiegel, war vielfach preisgekrönt – und nun stellte sich in dieser Woche heraus, dass er für seine Texte massiv hinzudichtete, fälschte und erfand. Einzelfall oder Symptom?

5,10 Euro für ein mageres Nachweihnachtsheft, das zu 22 Seiten und Titel aus der Fälschungsaffäre besteht: Respekt, das matcht sich mit der Idee der deutschen Autoindustrie, die Kundschaft sollte die Betrugsaffäre finanzieren. Da muss der Spiegel nachdenken, bevor er VW wieder kritisiert. Oder das Heft umsonst verteilen.

Dieses Geschichtenerzählen ist die Krankheit, weil die Realität sich immer mal wieder weigert, sich ins Erzählschema zu fügen

Drinnen gibt’s eine Heldenreise: Von der „gewohnten Welt des Mangels“ – Claas Relotius gewinnt alle Preise und die Kollegen gucken in die Röhre – über die Einladung zum Abenteuer: „da stimmt doch was nicht“ – und das „Elixier“: Kollege Juan Moreno entdeckt Beweise für Fälschungen. Bis hin zur „tiefsten Hölle“: die Vorgesetzten lassen den Whistleblower auflaufen. Die Erzählung des Totalschadens unterscheidet sich nicht vom Totalschaden, zu tief und jäh der Schock, als dass die Lehren schon gezogen sein könnten: Welt oder was man dafür hält in ein gängiges Erzählmuster zu drapieren – das heißt völlig zu Recht „Geschichte“, nicht „Reportage“.

Dieses „Geschichtenerzählen“ ist die Krankheit, weil die Realität sich immer mal wieder weigert, sich ins Erzählschema zu fügen, und da gibt es viele kleinere Verbrechen als die, derer der Spiegel sich jetzt überführt hat. Das Besondere am vorliegenden Fall ist die Arroganz, mit der eine Redaktion glaubt, selbst ihr Versagen sei ein zwingendes Nummer-eins-Thema: Der Spiegel-Titel handelt vom Spiegel, sonst war wohl nichts diese Woche.

Er traue sich ein Ministeramt zu, ließ der unterlegene CDU-Parteivorsitzbewerber Friedrich Merz im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wissen. Mehr Hybris geht eigentlich kaum noch, oder?

Katharina Barley geht nach Europa, Horst Seehofer wirkt biologisch abbaubar – beide Ämter würden in der Groko von SPD und CSU nachbesetzt. Also tuschelt’s um die CDU-Minister Ursula von der Leyen und Peter Altmaier. Friedrich Merz müsste zur Bewährung an die Front, oder die Wirtschaft erquengelt sich einen Selbstbedienungsonkel. Alternativ raunt es von Landesvorsitz und Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg, wo Merz Thomas Strobl verdrängen müsste – den Schwiegersohn seines Mentors Schäuble. Dass Merz in allen fraglichen Ämtern null Erfahrung und auch keine Ausbildung hat, unterscheidet ihn nicht von anderen Fehl­besetzungen. Kern der Botschaft: Die CDU kommt nicht zur Ruhe.

Apropos politische Wiedervorlage: Die SPD verkündet, dass sie Thilo Sarrazin jetzt wirklich loswerden will. Was sagt dieser dritte Anlauf über die derzeitige Lage der SPD?

Sie hat keine Linie gefunden, die zeitgemäß übersetzte „Unter Helmut Schmidt konnten sich Frauen nachts noch in den Park trauen“. Der klassische Law-and-Order-Sozi also, auf den Sarrazin sich beruft und dessen Fans längst AfD, Union und FDP wählen. Der letzte Repräsentant dieser Spezies war eine Leihgabe von den Grünen: Innenjunker Otto Schily. Sarrazin erfüllt die angemaßte Aufgabe nicht, Linksreaktionäre bei der SPD zu halten, deshalb kann er weg.

Raus aus Syrien: US-Präsident Donald Trump hält den IS für besiegt und holt die US-Truppen nach Hause. Für wen ist dieser Schritt das größte Geschenk?

Für seine Nachfolgerin.

Am Donnerstag hat die letzte Steinkohle-Zeche in Bottrop dichtgemacht. Ist das nun ein geeigneter Zeitpunkt, um wehmütig zu werden?

Längs dem Begriff „Ewigkeitskosten“ beginnt jetzt die Ewigkeit. Wir melden uns. Einstweilen gilt: Über die Toten nichts Schlechtes, und so gut, wie derzeit über den Ruhrbergbau geredet wird, muss er ziemlich tot sein. Wenn die Konzerne die Grubenpumpen abstellen, kommen wir als Binnensee zurück.

Und was machen die Borussen?

Müssen jetzt Kohle, Stahl, teilweise schon Bier ersetzen. Tun sie. Fragen MLA

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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12 Kommentare

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  • "100 Jahre Waldorfschule 2019

    Alan Poseners Waldorf-Propaganda im Deutschlandfunk Kultur

    Der ‘Deutschandfunk Kultur’ lädt den Journalisten Alan Posener (‘Die Welt’, Axel Springer SE) zum Gespräch ein, um den 100. Geburtstag der Waldorfschule zu feiern.

    (…)"

    weiter bei "Humanistischer Pressedienst", „hpd“: hpd.de/artikel/ala...dfunk-kultur-16386

  • Manchmal sieht es wirklich so aus, als wollten Sie auf Teufel komm raus irgendetwas schlechtes über Waldorfschulen sagen. Einmal ist der Steiner rechts, aber wenn dann die Schule einen AfD-Vater (nicht das Kind ist ja gemeint) ablehnt, ists auch nicht recht, was ich übrigens auch finde. Auch die Komentare der Leser zeigen, freundlich ausgedrückt, unausgewogene Meinungen. Für mich gilt immer noch: Waldorfschulen sind die bessere Wahl für KInder. Weniger Druck und vor allem, das Wesentliche lernen.

    • @joaquim:

      Ok. Ok. No! Is ja Geschenkemachzeit.



      &



      Weil ich sicher nach Ihrem Beitrag nicht fehl in der Annahme gehe:



      Rudolf Steiner - Gehört zu Ihren - woll!



      Ha no. Säulenheiligen!! Wollnichwoll.



      Das Wesentliche.“Hauptsache!“ (HDH;)

      & sodele - Gern&Dannichfür …servíce.



      Hier einer aus OWL - Kompetenz - pur.



      “Ich Sah Die Greenpeace Queen“ - Woll.

      Bitte - Herr Droste - (Dank im Voraus!;))



      www.youtube.com/watch?v=4p4L8ZRS8T4

    • @joaquim:

      ... "wesentlich", dass die Kinder früh in die Mysterien von "Atlantis" eingeführt werden ...

      halt, das sind ja gar keine "Mysterien" sondern das ist "Geschichtsunterricht" der Waldorfschule ... siehe:

      "Geschichte in der Waldorfschule: ‘Atlantis’ und die ‘Rassen’"

      www.ruhrbarone.de/...d-die-rassen/49644

  • Die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM) entschied am 6. September 2007, dass Bücher Rudolf Steiners "zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen" sind, siehe:

    www.ruhrbarone.de/...nd-anzusehen/16511

    • @Andreas Lichte:

      Ha no. Jung - laß stecken.

      “Der is doch schon katolisch!“ Liggers.

      unterm——-paraphrasiert -;) Der Papst!



      Kniend einst vor Ol Conny Adenauer.;)



      'Aber Herr Adenauer ich bin doch...s.o.'



      Quelle: Schweizer Garde - durchs -



      Schlüsselloch wg Audienzzeitüberriß!;))

  • "Ein 'rechter' Waldorflehrer soll gehen – Rudolf Steiner bleibt

    Nicht zum ersten Mal werden Waldorfschulen im Zusammenhang von "Rechtsextremismus" auffällig. Erinnert sei hier nur an den "NPD-Waldorflehrer" Andreas Molau. Nun gibt es einen neuen Fall. Und alles bleibt beim Alten.

    Wolf-Dieter Schröppe war zwanzig Jahre lang Lehrer an der Waldorfschule Minden. Nun belegt ein Gutachten der “Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold”, dass der Waldorflehrer im rechten Umfeld aktiv war

    (...)

    Solange Rudolf Steiner die unangefochtene Autorität der Waldorfschulen bleibt, ist jede Distanzierung des "Bundes der Freien Waldorfschulen" von "Rechtsextremismus" oder "Rassismus" unglaubwürdig: Wenn der Waldorflehrer Schröppe gehen muss, warum darf dann Rudolf Steiner in der Waldorfschule bleiben?

    zum vollständigen Artikel: hpd.de/artikel/11915

    • @Andreas Lichte:

      Was Sie, Herr Lichte, seit Ihrer Anti-Waldorfschulpropaganda-Kampagne hier und anderswo aufziehen, mit Hilfe von Zitaten eines bei einer Jesuitenuniversität beschäftigten Autors, in Verbindung mit einigen anderen, aber immer den gleichen Helfern - nennt sich ein Zitierkartell.



      Sie hoffen von der Bequemlichkeit gewisser Leser zu profitieren, die sich nicht die Mühe machen, Ihre Rosinenpicker-Argumente zu überprüfen und die anthroposophischen Initiativen, Zweige und Institutionen direkt anzuschauen - die verstecken sich ja nicht, drängen sich aber auch nicht auf.



      Kunstunterricht jeder Richtung (z.B. Schulorchester), Fremdsprachenunterricht ab der ersten Klasse, Epochenunterricht, Religionsunterricht für ev. und kath. Kinder oder auch freikirchlich bzw. andere Religionsvertreter, Beurteilungen statt Ziffern in den Zeugnissen, individuell-künstlerisch gestaltete Schulgebäude, überhaupt die Pflege des Individuums, wurde innerhalb eines preußisch-bürokratisch-gleichmacherischen Staates erstmals an Waldorfschulen verwirklicht.



      Die Stellungnahmen von einigen Eltern dieser Kinder finden sich hier, gehen aber, von Ihnen unkommentiert, in Ihrer Propagandamasse unter. Auch alle anderen hier geäußerten Widersprüche behandeln Sie nicht inhaltlich, sondern wiederholen immer die gleichen Zitate. Um das zu überprüfen, muß man nur einmal Ihre Namenszeile "ANDREAS LICHTE" über Ihren Beiträgen anklicken, da kann man sich dann Ihre gesammelten Weke ansehen - inklusive Ihrer beständigen Wiederholungen ein und desselben Zitats - obwohl: Ein oder zwei neue sind nun doch dazugekommen. war wohl zu peinlich ...



      Möge also jeder interessierte Leser selbst schauen!

      • @Offizinus:

        Erklären Sie den Lesern doch gerade mal, Zitat OFFIZINUS, "wie Steiner das mit dem Blonden und Dunklen verstanden wissen will“, das:

        “(…) Die blonden Haare geben eigentlich Gescheitheit. Geradeso wie sie wenig in das Auge hineinschicken, so bleiben sie im Gehirn mit Nahrungssäften, geben ihrem Gehirn die Gescheitheit. Die Braunhaarigen und Braunäugigen, und die Schwarzhaarigen und Schwarzäugigen, die treiben das, was die Blonden ins Gehirn treiben, in die Augen und Haare hinein. Daher werden sie Materialisten, gehen nur auf dasjenige, was man sehen kann, und es muss durch eine geistige Wissenschaft ausgeglichen werden. Man kann also eine Geisteswissenschaft haben in demselben Masse, als die Menschheit mit der Blondheit ihre Gescheitheit verliert. (…) Denn es ist tatsächlich so, dass, je mehr die blonden Rassen aussterben, desto mehr auch die instinktive Weisheit der Menschen stirbt. Die Menschen werden dümmer. (…)”

        Rudolf Steiner, „Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre“, GA 348, FÜNFTER VORTRAG, Dornach, 13. Dezember 1922, Seite 103

        „OFFIZINUS“ am 21.Dezember 2018, 23:18, bei: "Adolf soll seinen Namen tanzen“, taz.de/Kolumne-Gehts-noch/!5557477/ , Zitat:

        "Bevor man verstehen kann, wie Steiner das mit dem Blonden und Dunklen verstanden wissen will, muß man schon ein einführendes Werk wie die "Philosophie der Freiheit" durchgearbeitet haben. Und wenn einem das zu schwierig ist, mindestens die "Geheimwissenschaft" und "Wie erlangt man Erkenntnisse …".

        Wer sie durcharbeitet, kann sich etwas von der Aufmerksamkeitskraft erwerben, die man braucht, um durchaus fehlinterpretierbare Äußerungen Steiners (insbesondere durch üble geschichtliche Ereignisse seit diesen schrägst verzerrend beleuchtet) in ihrem wahren und gemeinten Sinn zu verstehen."

      • @Offizinus:

        Sie sollten sich nicht so sehr mit meiner "Person" beschäftigen – und aufhören, eine große "Verschwörung" gegen die Anthroposophie zu konstruieren:

        Das passiert alles nur in Ihrem Kopf.

        • @Andreas Lichte:

          ... apropos „Kopf“ – folgendes kann uns der Anthroposoph "OFFIZINUS" sicher auch ganz schnell erklären, Zitat Rudolf Steiner:

          “Er [= der Kopf] sitzt auf dem Körper wie ein Parasit darauf und benimmt sich auch wie ein Parasit. Es ist schon not­wendig, daß man die materia­listische Anschauung, als ob wir vom Kopf so außer­ordentlich viel hätten – wir brauchen ihn als Spiegelungs­apparat –, daß man diese Ansicht aufgibt. Das ist schon notwendig. Wir müssen den Kopf an­sehen lernen als ein Bild unserer vor­geburt­lich geistig-see­lischen Organisation.”

          mehr "Kopf, Herz und Hand" hier: "Rudolf Steiner, der "Denker" der Waldorfschule: Gegenteil-Tag, 365 Tage im Jahr", hpd.de/artikel/10024

  • Liggers - anschließe mich. Danke.