Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Der Innenminister zündelt und schlägt dazu die Harfe. Ein Verlag gerät beim Verlegerwechsel in Verlegenheit. Und einer kauft noch bei Kaufhof.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Kanzlerin stellt fest, dass 1,5 Millionen Wohnungen fehlen.
Und was wird besser in dieser?
Irgendwie muss es der zuständige Minister Seehofer erfahren.
Ein Verfassungsschutzpräsident, der unbelegte Fake-News-Zweifel streut und unveröffentlichte Berichte an die AfD weitergibt: Wann ist das gute alte Zurücktreten eigentlich aus der Mode gekommen?
Zitate offensiv für die Bild-Zeitung zu autorisieren ist eine neue Dimension von Geheimhaltung. Maaßen lieferte ein haarspalterisches Gutachten, das Mehmet Kurnaz in Guantánamo verschimmeln ließ – das geht noch aufs Konto von Rot-Grün. Er verwischte beim Berliner Innensenat, dass es einen V-Mann im Umfeld des Weihnachtsmarkt-Attentäters Amri gab. Bei Wucht und Wummen der „Reichsbürger“ zeigte sich der Inlandsnachrichtendienst pardauz überrascht. Während der Chef mit AfDlern über „islamistische Gefährder“ plauschte.
Schließlich verwechselt er Mord und Totschlag in Chemnitz und wirbt für eine Verdopplung seiner Behörde. Kennt noch jemand Gerhard Boeden, Hansjörg Geiger und Peter Frisch? Drei lautlose Lauscher, Vorgänger Maaßens. Es ist möglich, diese Behörde defensiv zu leiten, was Deutschland nach seinen Erfahrungen von NS bis Stasi gut ansteht. Es scheint Maaßen nicht möglich, das zu tun.
Ist zur Performance des Innenministers noch irgendetwas ungesagt?
Horst Seehofer hat nicht die Statur, eine Altbausiedlung in München anzuzünden und dazu die Harfe zu schlagen. Seine Bilanz für die CSU sieht aber ähnlich aus.
Derweil wird der Hambacher Forst geräumt. Absehbar?
Absehbar absurd, während eine Regierungskommission über das Ende des Kohleverbrauchs in Deutschland, nun ja, herumpofallat. Als Merkel den rot-grünen Atomausstieg final adoptierte, hörte man alle Weltuntergangs-Argumente, die nun auch wieder für Kohlestrom vorgetragen werden. Das 200-Hektar-Wäldchen ist ein Symbol – für selbstgerechte Retter. Doch ebenso für einen Konzern, dem in zehn Jahren seit der ersten Greenpeace-Klage keine technische Lösung eingefallen ist, drumrum zu baggern. RWE sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, hingegen schon: Im Dezember soll die Kohleausstiegskommission ihren Plan vorstellen. Der Wald soll weg, bevor sich herausstellt, dass der Wald nicht weg muss.
Karstadt und Kaufhof fusionieren. Amazon wird zittern, oder?
Immerhin gibt’s noch Leute, die bei Kaufhof kaufen. Karstadt, zum Beispiel. Gleich den ganzen Laden und damit Platz 49 von der EHI-Liste der umsatzstärksten Onlineshops Deutschlands. Karstadt selbst zwergt auch eher auf Platz 96 herum, während Händler wie Otto, Mediamarkt und Zalando unter den reichsten fünf rangieren. Die Großen können abwarten, bis sie so etwas wie Karkaufhofstadt als factory outlets günstig dazukaufen.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron will Armut bekämpfen, indem er Kinder fördert und Arbeitslose schärfer sanktioniert. Wird das so was?
„’artz“ klänge fremd und befremdlich und „revenue universel d’acitivité“ lässt viel Deutungsspaß: Aktivitätseinkommen? Sozialleistungen werden zusammengefasst und an Bedingungen geknüpft, und mit dem Akzent auf Kinder- und Bildungsförderung scheint Macron einen Lernschritt über die deutsche „Agenda“-Politik hinaus zu machen.
Müsste man nicht bejubeln, wenn nicht die ganzen Rechtspopulisten in Europa einen dazu brächten, dem Mittepopulisten Macron dringend Erfolg zu wünschen.
Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz wurde ziemlich rüde abgesägt, Florian Illies soll ihr folgen. Viele Rowohlt-AutorInnen sind wütend und protestieren. Zu Recht?
Gute VerlegerInnen sind brillant im Empfangen, nicht im Senden. Senden tun die AutorInnen. Nun ist Illies unter den „neue Schwarte durch jede Talkshow-Wedlern“ ein radikal unverdächtiger Fall, und dass er als Autor Erfolg hatte, ist ihm nicht zur Last zu legen. Kurz: Dass Illies bekannt ist und Laugwitz nicht, hindert beide nicht am erfolgreichen Verlegen. Bisschen verlegen hingegen wirkt nun der Eigentümer Holtzbrinck um einen anderen Grund für den Wechsel.
Und was machen die Borussen?
„Nehmt diese Videos Humor“ empfiehlt „Borussen-Bernie“ seine Suaden, die an die sechsstellige Aufrufzahlen erreichen inzwischen. Wer’s deftig braucht, wird hier kompetent angeschrien.
Fragen: mla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk