Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Merkels Abwesenheit in Chemnitz hat deeskaliert. Kubicki performt den Jammerhammer. Verfassungsschutz-Chef Maaßen sollte zurücktreten.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Mehrheit der Bürger sieht Rechtsradikalismus als Ostproblem.
Und was wird besser in dieser?
Macht diese Umfrage nicht immer nur in Aachen!
„Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im ‚Wir schaffen das‘ von Kanzlerin Angela Merkel“, sagte Bundestagsvizepräsident und FDP-Vize Wolfgang Kubicki in einem seitdem viel diskutierten Interview zu den Vorgängen in Chemnitz. Hätte Kubicki sich diese Äußerung in einem seiner Ämter besser sparen sollen?
Der Prickel an der Nummer ist eben nicht, ob Kubicki recht hat oder unrecht, sondern es ist die Debatte darüber: zugleich beides. Bild dröhnt „Warum Kubicki recht hat“ und „Warum Kubicki unrecht hat“ – der alte Fuchs macht ein Häkchen in der Rubrik „Nachname korrekt geschrieben“ und eilt zu „Markus Lanz“.
Dort performt er noch den Jammerhammer: „So schnell geht das, mit einem Satz wird man Rechtspopulist“, und spontanverpfafft sich zu einem salbadernden „Wenn wir anfangen, einander zu denunzieren, ist diese Gesellschaft bald am Ende.“ Sprach der Denunziant und lässt seinen Pressestab die Mediareichweite bilanzieren. Prösterchen!
Die Ämter, die Kubickis Äußerungen Gewicht verleihen, hat er bekommen, nachdem die FDP im Angesicht Merkels bei Jamaika zugab: Wir schaffen das nicht.
Vor zehn Jahren, am 31. August 2008, wurde die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank verkündet. Ein teurer Spaß – denn dafür musste der deutsche Staat einspringen, und er hält noch heute 15 Prozent an der Commerzbank. Sind Privatbanken überhaupt noch zeitgemäß?
Zum Jubiläum könnte auch die Deutsche Bank fällig sein, marode und völlig desinteressiert am mühseligen Geschäft mit Privat- und kleinen Geschäftskunden. Die haben in Deutschland eine gute Alternative mit den öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die die Hälfte des Marktes beherrschen. Anstatt auf dieses solide Kontoführungsgedöns mit kleinen Margen zu setzen, suchten die Privatbanken die dicken Renditen bei Wertpapieren, Fonds und ins Esoterische lappenden „Finanzprodukten“. Das mag der deutsche Sparstrumpfbewohner aber nicht, und so traten die Institute auf dem Weltmarkt als Loser auf und ab.
Die Commerzbank versucht, mit knauserig gestrafftem Filialnetz und Service den verhassten Kleinsparer zu bedienen. Die Deutsche Bank, ehedem too big to fail, ist inzwischen too small to be systemrelevant.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte offenbar verschleiern, dass es einen V-Mann im Umfeld des Islamisten Amri gab. Zeit für den Rücktritt von Behördenchef Hans-Georg Maaßen?
Moooooment! Der Chef des Verfassungsschutzes eilt durch Hintergrundgespräche, um dringlichst zu hinterlegen, der Verfassungsschutz hätte ganz bestimmt mal wieder keine Ahnung gehabt? Comedy. Da kann mit Maaßen auch der komplette Dienst gleich mit zurücktreten.
Maaßen persönlich hat noch ein Gutachten auf dem Gewissen, dank dessen Murat Kurnaz nicht aus Guantánamo zurückgeholt wurde. Dann initiierte er ein Verfahren wegen Landesverrates gegen netzpolitik.org, um „Massendatenerfassung“ durch seine Behörde geheim zu halten.
Kürzlich erfuhr man von Dates, die Maaßen mit den AfD-Verfassungsfreunden Petry, Gauland, Brandner abhielt – Inhalt vertraulich. Maaßen ist fällig; sein Haus könnte sich immerhin retten mit dem Argument: Irgendjemand muss den Chef überwachen.
Und apropos Rücktritt: Hat die WM-Analyse von Bundestrainer Jogi Löw Sie überzeugt?
„Wir waren zu dominant.“ Genau mein Eindruck.
Die Kanzlerin war in Westafrika unterwegs. Eine erfolgreiche Reise?
Ihre Abwesenheit von Chemnitz hat die Situation dort deeskaliert. Ansonsten gut, wenn irgendjemand unserer Kollektivneurose entsagt und sich mal für die Welt interessiert.
Wenn Sie zehn Wünsche frei hätten – auf welchem Platz stünde dann der Wunsch nach Abschaffung der Zeitumstellung, wie sie am Freitag EU-Kommissionspräsident Juncker angekündigt hat?
„Die Leute wollen das, also werden wir das machen.“ Vielleicht wollte er einfach nur mal diesen Satz sagen. Hätte Juncker eine Imageagentur gefragt: „Die EU ist extrem unbeliebt. Was können wir Populäres machen, das nichts kostet?“ – er hätte das nämliche Ergebnis bekommen.
Deutschlands Wirtschaft brummt weiterhin – trotzdem erhalten rund 41 Prozent der neu eingestellten ArbeitnehmerInnen nur befristete Verträge. Ein Luxusproblem?
Wer brummt, hat den Text vergessen. Der war aber auch kryptisch! „Sachgrundlose Befristung“, uns war halt danach, Ihr könnt ja schon mal arbeiten, und dann gucken wir mal. Weniger als die Hälfte der „Befristeten“ wird danach auch übernommen. Die Liste der zulässigen Sachgründe für eine Befristung ist so umfänglich, dass man Befristung ohne Sachgrund auch streichen kann.
Und was machen die Borus sen?
15 Plätze überm Abstieg. Die Null steht.
Fragen AW
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