Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Politik tanzt gerade Law and Order vor. Der Staat sollte Wohnungen bauen und Spahn darf alles. Extra: Tipps fürs perfekte Urlaubsvideo.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Früher bekam man eine Abwrackprämie, wenn man einen Umweltverpester fuhr.
Und was wird besser in dieser?
Heute bekommt man ein Software-Update.
Vier Wochen vor der Wahl ist die AfD im Deutschlandtrend drittstärkste Partei im Land. Was läuft da falsch im Wahlkampf?
Für die Begünstigten der Gesellschaft bietet die Union ein Deutschland, in dem wir gut und gerne labern. Für zornige Wähler taugt die SPD wenig: Hier gibt es die differenzierteren Begründungen für die Positionen der CDU. Europa, Flüchtlinge, Sozialstaat. Hardcorebeschwichtigung bietet der politische Arm des Kirchentags, die Grünen. Die Linke stellt fest, dass man Wutwähler genauso leicht los wird, wie man sie lange gern in Kauf nahm. Die FDP offeriert Selbstverhipsterung auch für den älteren Mitbürger. Kurz: Wer Beharrung wünscht, findet dies in allerhand trendigen Geschmacksnoten. Wer Veränderung wünscht, gern auch eher dumpfgefühlig, wird auf die AfD verwiesen. Sie ist so stark, wie die anderen schwach sind. Alexander Gauland war länger in der CDU als Angela Merkel, der weiß, wie’s geht.
Die Plattform linksunten.indymedia.org wurde verboten. Ist der Linksextremismus in Deutschland die vielbeschworene „unterschätzte Gefahr“?
Das BKA „rechnet mit Vergeltungsaktionen von Linksextremisten“. Mit äußerster Selbstdisziplin gelang es den Behörden, die Verben „freuen wir uns bereits … hoffen wir bis zur Wahl“ zu vermeiden. Polizisten mögen auf gelöste Radmuttern achten, also auch mal selbstkritisch schauen, ob sie eine Schraube locker haben. Das Verbot einer jahrzehntelangen aktiven politischen Organisation vier Wochen vor einer Bundestagswahl ist schon deshalb ein Fehler, weil es genau diesen Zusammenhang schafft: Da wird Law and Order vorgetanzt, das geht gegen rote und grüne Sympathisanten, das befriedigt rechtspopulistische Affekte. Kurz: Als anständiger Demokrat kannst du keinen schlechteren Zeitpunkt finden. De Maizière schottert sich selbst.
Vor 50 Jahren wurde das Farbfernsehen erfunden. Hat es uns was gebracht oder wäre es schöner, würde die Welt schwarz-weiß flimmern?
Derzeit wird „entsättigt“, was die Post Production hergibt. Dazu gilt als schick, was mit Kinooptiken fotografiert wird. Also: farbschwache Bilder mit viel Unschärfe vorne und hinten. Schließlich kommt kein Wetterbericht mehr ohne Drohnenbilder aus. Das knüpft an die verpeilte Idee Sergei Eisensteins aus den 20er Jahren an, Uhrwerkkameras übers Schlachtfeld zu schmeißen, um den subjektiven Blick der fliegenden Kanonenkugel in die Kriegsszene einschneiden zu können. Die Technik heute ist bedeutend weiter, was Farbe, Brillanz, Licht, Beweglichkeit angeht. Doch das menschliche Auge verarbeitet ungern derart übernatürlich gute Bilder. Und es ist retro: Schwarzweiß oder Kinokasch oder kurze Schärfe werden vom Bildgedächtnis mit besonders hoher Qualität assoziiert. Wenn das Urlaubsvideo Schrott ist: Farbe rausdrehen und schwarze Balken oben und unten. Großes Kino.
CDU-Politiker Jens Spahn fürchtet die Parallelgesellschaft der Hipster. Reale Angst vor Verlust der „Leitkultur“ oder einfach kein besseres Wahlkampfthema gefunden?
Der Finanzstaatssekretär beteiligt sich privat an einer Firma für Finanzsoftware. Da könnte ja gleich ein offen Schwuler gegen andere Bevölkerungsgruppen lospöbeln. Spahn perfektioniert die Methode: „Ich bin schwul, ich darf das“.
Der deutsche Staat hat im ersten Halbjahr 2017 einen Überschuss von 18,3 Milliarden Euro eingefahren. Wofür würden Sie das Geld ausgeben?
Wohnungen. Der Markt hatte seine Chance, er hat versagt. Heute mästet der Staat Investoren, die Wohngeldempfänger in Bruchbuden lagern. Bonustrack: Nie war die Privatisierung von Autobahnen so unnötig wie heute.
In den USA wurde ein VW-Mitarbeiter zu 40 Monaten Haft verurteilt. Ist Big Brother USA endlich mal wieder gut für was, das Merkel nicht kann oder, besser, nicht will?
Niemand hat versprochen, dass ein Handelskrieg Spaß macht. Oder dass TTIP so ’ne Art nettes „Sammeln Sie Punkte?“-Angebot war. Das schmutzigste Wort in dem Konflikt jedoch bleibt Tesla, es beschreibt das Versagen der Deutschen besser.
Und was machen die Borussen?
Dembélé kam vor einem Jahr für rund 15 Millionen Euro aus Rennes, spielte ein Jahr unter Trainer Tuchel und wird jetzt für mindestens 105 Millionen verkauft. Gut, dass der Trainer gefeuert wurde.
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