Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Der Innenminister schwelgt in Schrebergarten-Romantik, mündige Bürger in Uniform dekorieren Kasernen und die Schweinebande verzichtet.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Stephen Hawking empfiehlt der Menschheit, sich binnen 100 Jahren einen neuen Planeten zu suchen.
Und was wird besser in dieser?
Die Erde hört nicht auf, sich nach neuen Menschen umzuschauen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat ein Programm mit zehn Punkten genannt, die die deutsche Leitkultur ausmachten. Was hat er dabei vergessen?
Kartoffeln. Höchst invasive Migranten aus Lateinamerika, die das exakte Gegenteil von „Leitkultur“ sind: eine Kulturpflanze, die Gegebenheiten von Boden und Klima folgend am besten gedeiht. De Maizières Gastbeitrag übersieht den Gastbeitrag der „Gastarbeiter“, von Kartoffel bis Türke. Deutschland ist der Verkehrsknoten Europas, und so bleibt es ein possierliches Unterfangen, für eine brodelnde Kreuzung eine Schrebergartenordnung zu entwerfen. Richtig schreibt der Innenminister, „Sprache, Verfassung und Achtung der Grundrechte“ seien aller Leitkultur vorangestellt. Hier bietet sein Amt reizvolle Aufgaben, „Sprache, Verfassung und Grundrechte“ in Teilen Ostdeutschlands bekannter zu machen, Du volksverräterischer Merkelvotze. Doch gemach: Die Debatte ist klasse, eben weil wir uns dieser Grundfrage endlich mal stellen müssen: Bedingen Blut und Boden, wer hier leben darf und wer nicht? Die Verfassung – kleiner Tipp für den Innenminister – stellt die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Verbot jeder Diskriminierung über alles andere. Heißt schlicht: Die Grundrechte sind ein must, jeder Vorschlag für eine Leitkultur ein nice to have. De Maizière führt unter „Kultur“ Bach und Goethe an, andere würden Marx und Nietzsche nennen. Dann wirft er unter „kollektives Gedächtnis“ noch den 9. November und Fußballweltmeisterschaften in einen Topf, da fehlt nur „wir können auch nicht kochen“, „Müll wird getrennt“ und „draußen gibt’s nur Kännchen“. Aber lustig, dass der Typ einen französischen Namen hat.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wirft der Bundeswehr wegen Offizier Franco A., der sich als syrischer Geflüchteter ausgab und einen rechtsextrem motivierten Anschlag geplant haben soll, Haltungsprobleme und Führungsschwäche vor. Warum zieht sie sich aus der Verantwortung?
Überraschend schwerer Fehler einer Medienvirtuosin. Jeder Frittenbudenbesitzer nimmt Fehler der Belegschaft auf seine Kappe, dafür isser da, dafür werden Führungspositionen auch bezahlt. The Leyen sleeps tonight. Tags darauf wurde an den Spiegel ihre Entschuldigung bei der Generalität durchgestochen, da funktionierte wieder alles. Interessanter das Problem dahinter: Der weiterhin mündige „Bürger in Uniform“, der durch seine wertegebundene Haltung für „innere Führung“ sorgt, war ein Konstrukt der Verfassungseltern für eine Wehrpflichtarmee. Ein krimineller Befehl muss verweigert werden, der Soldat wird eher wieder Bürger als Kriegsverbrecher. Die Hausaufgabe, dies für eine Berufsarmee neu zu erfinden, ist unerledigt.
Nach einem Gutachten von Greenpeace widerspricht die konventionelle Haltung von Schweinen in Deutschland dem Tierschutzgesetz. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Warum?
Nun, der Handlungsbedarf sieht auch keinen Bundeslandwirtschaftsminister, eine fein ausbalancierte Situation. Im Verborgenen entwickelte Schmidt unterdes ein „Tierwohllabel“. Dabei gelang es ihm, die Anforderungen des Tierschutzbundes so weit zu unterschreiten, dass der ausstieg. Und zugleich die Wünsche der Schweinebande resp. „Initiative Tierwohl“ resp. Fleischerzeugerbranche so weit zu überfordern, dass auch die verzichten. Ein Label, das kein Schwein interessiert. Immerhin zahlt der Minister eine „Ringelschwanzprämie“: Schweinezüchter, die ihre Tiere nicht kupieren, bekommen 16,50 Euro. Unter den üblichen Bedingungen allerdings kannibalisieren die Tiere einander, beißen die Schwänze ab und werden an den Wunden krank: mehr Medikamente, weniger Profit. Nach Lektüre allein dieses Details stelle ich die auf mich wie jeden Bundesbürger entfallenden 40 Kilo Schweinefleisch pro Jahr gern zur Verfügung.
Das US-Repräsentantenhaus hat den Umbau von Obamacare beschlossen – die Republikaner feiern sich. Kann Trump doch Präsident?
Offenbar gibt es um ihn herum jetzt die Leute, die ihn Präsident können.
Und was machen die Borussen?
Ein Abseitstor, ein unberechtigter Elfer, ein „schmutziger Sieg“. Schiri Brych hat gedacht, „die in den gelben Trikots sind die Bayern“.
Fragen: msb, fsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich