Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Gauck spricht spät, aber gut; Merkel liegt zu Europa wie immer falsch und Maas sieht mit seiner Facebook-Kritik naiv aus.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch:
Bundespräsident Gauck hat spät, dann jedoch gut gesprochen: „Helles Deutschland“.
Was wird besser in dieser?
Plädiere für eine zweite Amtszeit. Seines neuen Redenschreibers.
Wegen „polizeilichem Notstand“ sollte in Heidenau ein Willkommensfest für Flüchtlinge ausfallen. Wie weit kann sich Sachsen noch blamieren?
Entblößende Wahrheit: In Dortmund wären viele froh gewesen, die Polizei hätte den Arsch in der Hose gehabt, keinen Arsch in der Hose zu haben. Also genau das zu sagen, was die sächsische Polizei behauptete: Sie könne für die Sicherheit nicht garantieren. Das hätte uns eine Menge Nazi-Demos und den Ruf als braune Tiefburg erspart.
Nun zeigt Heidenau, dass solche Wünsche frivol waren. Der Schutz der Kundgebungsfreiheit ist unteilbar. Das schließliche Gelingen des Willkommensfestes bezeugt auch, dass Träume von immer mehr Bundespolizei oder Bundeswehr – Einsatz im Inneren – beide wider die Verfassung – hier keine Begründung finden.
Am Mittwoch fand die österreichische Polizei 71 erstickte Flüchtlinge in einem Lkw. Was muss noch geschehen, damit die europäische Politik tätig wird?
Man könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Deutsche Schulmeisterei über „gerechte Verteilung“ in Europa käme deutlich plausibler über, wenn deutschen Schlaumeiern gerechte Verteilung in Deutschland gelänge. Bisher kann jeder Nachbar auf beispielsweise Sachsen verweisen und die Deutschen mahnen, ihr eigenes Haus in Ordnung zu bringen. „Europa ist keine Sozialunion“, wie Merkel auf der Höhe der Griechenland-Auseinandersetzung dekretierte: war falsch, ist falsch, wird immer falscher.
Syrer bedanken sich bei Angela Merkel über soziale Medien für ihr Bleiberecht. Wofür möchten Sie sich bei Frau Merkel bedanken?
Ihren abgrundtiefen Skeptizismus, der sie daran hindern wird, das zu glauben.
Selbst die TV-Kasper Joko und Klaas haben sich per YouTube gegen Rechte positioniert. Darauf haben alle nur gewartet, oder?
In dieser Zeitung wurde kürzlich Bundespressekonferenz–Magier Tilo Jung hart kritisiert für zugegeben hodenlos dumme Posts von Deppen zu seinen Videos. Exakt auf diese Abteilung „unverlangt eingesandt“ beziehen sich auch die beiden Unterhalter Yoko und Klaas: Sie entschuldigen sich eingangs fast für ihre politische Unzuständigkeit. Fordern dann jedoch sehr eindringlich braune Trolle auf, sie zu entliken, zu entfreunden, abzuhauen. Kurz – sie tun ziemlich genau das, was ihnen übermorgen hässliche Kritik z. B. in der taz ersparen wird. Mühle auf, Mühle zu.
Übrigens ein recht deutsches und historisch begründetes Phänomen, dass hier Unterhaltungskünstler politische Vereinnahmung scheuen. Gut so. Im Vergleich zu selbst beweihräuchernder Charity ist das Vorpreschen von Yoko und Klaas wenigstens ansatzweise riskant.
Nach Unwörtern des Jahres wird man nach diesem Sommer und der Flüchtlingsdebatte nicht mehr suchen müssen. Asylkritiker, Westbalkan, Flüchtlingswelle – haben Sie auch schon Favoriten?
„Völkerwanderung“ übertreibt so heillos wie demagogisch. Doch „Willkommenskultur“ ist so erlesen doppeldeutig, dass ich es knapp vorne sähe bisher.
Justizminister Heiko Maas will mit Facebook ein ernstes Wörtchen wegen Hasskommentaren reden. Nur, sollte man den Straftatbestand Volksverhetzung einem Privatunternehmen überlassen?
Alternative Facebook sagt: „Hey, wir liefern doch eh alle Userdaten an die NSA, holt euch eure Trolle doch da!“ – Eben, Maas’ Ansatz geht von einem eigenverantwortlichen Unternehmen aus und sieht dabei naiv aus.
Hurra, Totalüberwachung: Medienberichten zufolge haben deutscher Verfassungsschutz und die USA einen Deal gehabt: deutsche Daten gegen die US-Software xkeyscore. Wie wohldurchleuchtet fühlen Sie sich?
Ausreichend. Dazu unser TV-Tipp: „Login PROMIS“, ein ZDF-Dokumentarfilm von Egmont R. Koch. 1996. Alles drin. Und bei YouTube kriegt dank xkeyscore auch jeder mit, wenn Sie es gucken.
Anders als bei Bob der Baumeister und die Biene Maja hat der #bringbackbäuchlein gefruchtet und Pumuckl bekommt sein Wohlstandsbäuchlein wieder. Welche Hashtags braucht die Welt noch?
Den Hashtag wollte eigentlich Sigmar Gabriel für seine Wahlkampagne!
Und was machen die Borussen?
Kann mal einer das Transferfenster zumachen? Es zieht.
Fragen: YAG, HDL, MLA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich