Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Gauck entwickelt sich zum Scheinriesen, Preußler kann keine korrekten Sätze, Merkel macht Türkeiurlaub und die NPD zückt den Textmarker.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Doppelte Staatsbürgerschaft, Schwulenehe: langsam werden die Themen knapp, mit denen sich die SPD von der CDU unterscheiden kann.
Was wird besser in dieser?
Merkel holt die Türkei in die EU. Das traut sich die SPD nicht.
Journalisten haben künftig nur noch Anspruch auf Auskunft von Behörden, wenn die gewünschten Informationen der Behörde bereits vorliegen. Ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun gut oder schlecht für die Pressefreiheit?
Ein Reporter hatte vom BND wissen wollen, wie viele alte Nazis dort arbeiteten. Das wird er nun nicht erfahren. Ist ja auch erst 67 Jahre her, und der BND ist nachweislich schon heillos überfordert damit, sich um neue Nazis zu kümmern. Der juristische Trick: Bisher wurde hier nach dem Presserecht des Behördenstandorts verfahren. Das Berliner Landespresserecht regelt eine weitergehende Auskunftspflicht. Nun soll Bundesrecht für Bundesbehörden gelten, und ein Bundespressegesetz – gibt’s nicht. Man könnte Innenminister Friedrich jetzt fragen, wann er eines macht – aber er muss nicht antworten.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Von der taz wird er jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Am Freitag hielt Bundespräsident Joachim Gauck seine erste große Rede über Perspektiven der europäischen Idee. Bei seinem Vorgänger Christian Wulff hat man neben Burgwedel noch seinen Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ in Erinnerung. Hatte Gauck einen ähnlich großen Auftritt?
Redner Gauck entwickelt sich zum Scheinriesen der Bundesrepublik: Je näher er kommt, desto kleiner wird er. Anfangs pompös angekündigt, kurz als „groß“ bejubelt, und bei näherer Lektüre ist das Auffälligste an der Rede die Abwesenheit von Mut. Bürger Gauck hatte Pazifisten als „glückssüchtig“ verunglimpft und Wulffs tapsigen Satz vom Islam abgelehnt. Nun, da er selbst vortrug, forderte er „die große identitätsstiftende Erzählung in Europa“, ja nun, da müssten wir mal den Bundespräsidenten fragen, ob er eine am Lager hat. Dann wünscht er noch eine „finanzpolitische Steuerung“ und legt dar, dass über Politik zu reden bereits Politik sei. Der Satz „Europa wollen heißt von Deutschland Abschied nehmen“ wäre mutig, ehrlich und würde eine Debatte eröffnen. Der stand nicht drin.
Die NPD hat geheime Bund-Länder-Papiere, die für ein NPD-Verbotsverfahren zusammengetragen wurden, auf ihrer Homepage veröffentlicht. Ist das ein Aufreger?
Im Verbotsverfahren bekäme die Partei eh Akteneinsicht, und laut NDR-Recherchen stand das Material bereits auf einer linken Netzplattform. Die Partei hat so etwas mehr Vorsprung, die Passagen zu textmarkern, die von V-Leuten stammen. Das ist okay.
Nach wochenlangen Protesten gegen den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und die Muslimbrüder hat Mursi nun eine Neuwahl des Parlaments ab Ende April angeordnet. Wer wird da das Rennen machen?
Er. Siehe Volksabstimmung über seine Verfassung.
Der Paralympics-Star Oscar Pistorius, der wegen der Tötung seiner Lebensgefährtin vor Gericht steht, hat ein Starverteidigerteam um sich versammelt. Plötzlich steht der Chefermittler im Fall von Paralympics-Star Oscar Pistorius selbst unter schwerem Mordverdacht. Was ist da los?
Keine Ahnung. Aber der Literaturpreis für feingeistige Nachrichtenüberschriften geht diese Woche an die Homepage des Hessischen Rundfunks für die Dachzeile „Pistorius bis Prozessbeginn auf freiem Fuß“.
Der Kinderbuchautor Otfried Preußler ist am vergangenen Montag verstorben. Mit welchem Buch werden Sie ihn Erinnerung behalten?
Hotzenplotz! Rumpumpel! Lauflauflauf buchpack Köpper guuuuut! Ohne Preußler hätte ich jetzt korrekte Sätze bilden müssen.
Kurz vor der Italienwahl sorgt der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi für einen Sexismus-Skandal. Bei einer Energiedebatte fragte er die Solarexpertin und Podiumsrednerin Angela Bruno, wie oft sie denn komme. Wird das ihm bei der Wahl schaden oder sehen die Italiener solche Vorfälle etwas gelassener?
Es wäre durchaus nicht unseriös, neben das entfesselte Bashing der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland verdienstvolle Reportagen („Amazon“) und auch die Abscheu vor dem Privatfernsehkonstrukt Berlusconi einzubringen.
Und was machen die Borussen?
Bayern wird im Pokalspiel am Mittwoch stärker sein als letztes Jahr im Finale. Also ein 5:3 oder gar 5:4 für den BVB. FRAGEN: JAK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren