Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Deutschland entwächst der Pubertät, Kraftwerke kriegen Grundeinkommen und Journalisten haben eine Blamage verdient.
H err Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Immer noch Prostitution in unserer Gesellschaft.
Was wird besser in dieser?
Bild streicht das Honorar von Alice Schwarzer.
Hans-Christian Ströbele hat Edward Snowden besucht – und ihn nach Deutschland eingeladen. Wird die Überwachung durch die NSA jetzt im Bundestag aufgeklärt?
Erstmal möchte ich hier für das Erbströbeltum als neue Verfassungsgundlage plädieren. Das hat er wie ein rüstiger Nebenerwerbsbundespräsident gemacht, Hut ab! Snowdens Post ist eindeutig: Aussage gegen Asyl. Denn Putin hat Snowdens Aufenthalt an Schweigen gekoppelt. Der Unions-Vorschlag, ihn in Moskau anzuhören, ist fadenscheinig: Die Union hat oft Putins Willkürjustiz kritisiert. Nun wollen sie ihn dort anhören, wo er definitiv nichts sagen darf.
Viele sorgen sich: Ist die deutsch-amerikanische Liebesbeziehung endgültig vorbei?
Ende einer Pubertätskrise. Bisher – von Vietnam über Pershing bis zu den Golfkriegen – war der deutsche Tenor: Mit den Fingern stellt Ihr uns Frieden und Demokratie hin, dann reißt Ihr mit dem Arsch alles wieder um. Das war enttäuschte Liebe, jedenfalls eher als Anti-Amerikanismus. Jetzt agiert Amerika gegen Ideale, die es bei uns zur Aufbewahrung hinterlegt hat. Wir müssen uns entscheiden zwischen den USA und den Werten, die wir von ihnen adoptiert haben. Ganz einfach : Erwachsen.
Andere PolitikerInnen kämpfen derweil mit viel Kraft für Kohlekraftwerke, die „notleiden“. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Wie einen Traumjob: Gehalt dafür, dass man theoretisch arbeiten könnte, wenn die anderen nicht eh arbeiten würden. Sprich: Hannelore Kraft und NRW-Chef Laschet wollen EON und RWE eine „Garantie-Vergütung“ für Kohlekraftwerke einräumen. Ja nun! Irgendwo muss man mit dem bedingungslosen Grundeinkommen anfangen.
Die EU hat Horst Seehofer bestätigt, dass eine Autobahn-Maut für alle bei gleichzeitiger Absenkung der Kfz-Steuer für Inländer kein Problem sei. Werden bald alle Straßen heil sein?
Apropos heil – bis 1935 war die KfZ-Steuer zweckgebunden, für Aufbau und Erhalt des Straßennetzes. Seither weiss niemand mehr, ob Automobilität ihre Kosten deckt. Zuvor hatten kaiserliche Finanzbeamte den Hubraum besteuert – das machte Deutschland zum Kleinwagen-Mekka. Umgekehrt: würde künftig Umweltbelastung besteuert, wäre es Jobsicherung in der Autoindustrie. Doch Maut – das gibt ein Investitionsprogramm für Navis, mit denen sich auch LKW jetzt schon von der Autobahn stehlen. Sogar die Autoindustrie fordert, lieber die Spritsteuer anzuheben. Wenn die das fordert, ist vermutlich ein Haken dran. Hm.
Die gerade zurückgetretene Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke wetterte zum Abschied gegen „testosterongesteuerte Medientypen“. Fühlen Sie sich angesprochen?
Klar, zurecht ausgelacht von handwerklich beschlagenen Berufspolitkern, denen das wohlfeile Bashing durch JournalistInnen schon lange auf die Nuss geht. Dank Gaschke darf Intelligenz-Diarrhöe wieder Klugscheißerei heißen. „A week in the real live“, ein BBC-Format, schickte Politiker in Alltagsaufgaben. Das umgekehrte Format, „Gaschke als OB“, entzaubert wie zuletzt der koksende Bild-Politiker Schill. Ich fürchte, die Blamage hat die Branche verdient, eher als Gaschke persönlich. Im ersten Frust zu sagen „Ich weiss auch nicht, aber man kann immer einen Kerl in die Hoden treten“ ist kein Hinderungsgrund für einen neuen Job bei Doofmedien.
Wolfgang Rösch, Vertreter von Bischof Tebartz-van Elst, kommt mit dem Rad zum Pressetermin. Die neue Bescheidenheit der katholischen Kirche?
Und auf dem Gebäckträger den Krachersatz „Meine Stärke ist Demut“. Das ist geklaut bei Matthias Sammer, der als Trainer des BVB mal mit dem Fahrrad zum Training kam, um eine Debatte um überteuerte Spielerautos abzuschneiden. Seitdem arbeiten die alle umsonst, das Stadion wurde abgerissen.
In Berlin-Kreuzberg kämpft die Politik für einen Coffeeshop. Was wird dann aus den Dealern im Görlitzer Park?
Das wäre der Todesstoß für den Einkaufsmoloch „Centro“ in Oberhausen, wo die Holländer bisher ihre Freizeit verbringen. Wollt Ihr die alle in Berlin haben ?
Und was machen die Borussen?
Sorry, ich fand diese „Choreos“ schon öfters wie einen im Lehrerzimmer ausgedachten possierlichen Schülerstreich. Ich bin froh, wenn sie keine Nazipappen hochhalten und es ist dort auch noch wie etwas kritisches über den Club hochgehalten worden. Fehlt mir nicht.
FRAGEN: Jürn Kruse
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