Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Daniel Bahr wird „trainee“ bei der Allianz, der MDR zeigt „die zehn unrechtesten Unrechtsstaaten“ und die Bundeswehr sollte uns fürchten.
W as war schlecht in der vergangenen Woche?
Titelbildreigen. Spiegel: Kafka. Stern: HaPe. Focus: Putin.
Und was wird besser?
Ringtausch?
Günther Oettinger hat sich beim Hearing vor dem EU-Parlament nicht gerade internetfachkundig gezeigt. Ist er der Falsche für den Posten des Digitalkommissars?
Der Fairness halber: Wie man sich vor lauter Digitalkompetenz die Buchstaben von der Tastatur schrubbt, führen die Piraten gerade eindrucksvoll vor. Scherze über Oettingers No-Nerd-Status lenken von seiner durchaus erkennbaren Agenda ab: Beim Ausbau der Technik sprach er von einer „Aufholjagd“, bei Datenschutz und Urheberrecht hingegen von „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ und einer schwammigen „Balance“. Sein Sessionsmotto „Wirksamer Datenschutz geht nur europäisch“ lag noch so aus seiner Affäre mit der Atomlobby im Rucksack – mit diesem Argument verhinderten Merkel und Roettgen den Ausstieg, bis ihnen und allen Fukushima um die Ohren flog.
Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr geht zur Allianz – ist ja sein gutes Recht, solange es kein Gesetz zu Karenzzeiten gibt, oder?
Ein Jahr ist weniger, als es bräuchte, den Job nicht als Lohn für allianzgefällige Politik zu deuten, ja. Allerdings hat Bahr so was Ähnliches studiert und betont, nicht Grüßaugust zu werden, sondern „operativ tätig“. Eine feine Pointe kichert im Nebensatz der Allianz-Mitteilung: der Neue „soll später in den Vorstand aufrücken“. Jetzt wissen wir ungefähr, was Versicherungschefs über Bundesminister von der FDP denken. Hoffentlich muss er kein „trainee“-Mützchen tragen wie bei McDonald’s.
Völliges Desaster bei der Bundeswehr, nix funktioniert. Müssen wir um unsere Sicherheit fürchten?
Nein, im Gegenteil: wir sollen.
Die Internetriesen Zalando und Rocket Internet sind an die Börse gegangen. Haben Sie sich Ihre Anteile schon gesichtert?
Da wäre man jetzt nicht so gerne Aktionär gewesen. Das Bündel der Rocket-Firmen schreibt sämtlich rote Zahlen, und überhaupt würde ich das Thema des Unternehmens mögen müssen, um Geld anzulegen. Lassen Sie mich noch ein bisschen an meinem Schuhfetisch arbeiten.
Gregor Gysi sagt, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, aber einer, in dem es „Unrecht, auch grobes Unrecht“ gab. Haarspalterei?
Hey … Zeit für eine neue Rankingshow im MDR! „Die zehn unrechtesten Unrechtsstaaten“. Wobei man die immerhin allesamt in der deutschen Geschichte finden könnte und die DDR wenig Chancen auf den Spitzenplatz hätte. Die Krux ist der unklare Begriff „Unrechtsstaat“: Schießbefehl, keine freien Wahlen, keine Meinungs- und Reisefreiheit, stark beschränkte Berufswahl – ganz klar eine Diktatur. Nur dummerweise im semantischen Sinne „Gegenteil von Rechtsstaat“ gab es für alles dies Gesetze und legalistische Formen. Die Thüringer Grünen möchten, dass die Linke vor einer gemeinsamen Regierung nochmal den Popanz an der Stange grüßt – mit „Diktatur“ wäre das Nämliche ohne deutbare Polemik möglich gewesen.
„Legal Highs“ fallen laut BGH nicht unter das Arzneimittelgesetz, der Verkauf lässt sich schwer bestrafen. Wäre da die Cannabis-Legalisierung nicht gesünder?
Ja, zumal Haschisch und Gras einigermaßen beforscht sind und Mündige grob wissen könnten, was sie sich da einpfeifen. Die getunten Kräuter dagegen ändern ihre Wirkstoffe schneller, als man sie verbieten kann. Eklig.
Die „Tagesthemen“ entschuldigen sich öffentlich für einen Fehler in ihrer Ukraine-Berichterstattung. Reicht Putins langer Arm bis in die Tagesschau?
Wenn die Bundeswehr „bedingt einsatzbereit“ ist, warum die Medienlandschaft drumherum nicht erst recht? Das jähe Tempo der Remilitarisierung unserer Politik trifft auf wenig Routinen, allem zu misstrauen, was man friedlicheren Tages noch weniger argwöhnisch durchreichte. Ohne Grundausbildung an die Front, und nach der Hohlladung „Im Krieg stirbt als Erstes die Wahrheit“ kommen ein paar Nachrichtensendungen humpelnd ins Lazarett. Respekt vor „ARD-aktuell“, man räumt Fehler ein, statt sie zu einem persönlichen Problem einer linken Fernsehrätin zu verschwurbeln. Es wird, günstigenfalls, ein Abschied vom „wir“, dem „wir“ der EU, der Nato, des „Westens“ – vom „Wir, die Guten“.
Und was machen die Borussen?
Manche weichen vor Kommerz und Heimniederlagen gegen den Tabellenletzten zur Drittligavertretung des BVB aus. Muss man nicht mögen, doch den Sticker „Ultras von die Amateure“ seh ich gern.
(Frage: afro)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit