Die Wirecard-Aktien des Apas-Chefs: Alles Privatsache, klar!
Der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas zockte mit Wirecard-Aktien. Und das noch während seine Behörde Ermittlungen gegen Wirecard anschob.
E iniges Geld versenkt hat Ralf Bose dann auch noch: Die Aktien von Wirecard rauschten um 20 Prozent in den Keller, als Wirtschaftsprüfer von KPMG in einem Sonderbericht am 28. April feststellten, dass die Bilanzen im House of Wirecard bei genauerem Hinsehen löchrig wie Emmentaler waren. An genau diesem Tag schlug Bose zu – in der Hoffnung, die Vorwürfe gegen den sensationell in den DAX-Himmel aufgestiegenen Zahlungsdienstleister aus München, den „deutschen Apple“, würden sich wieder legen, der Kurs werde wieder anziehen.
Doof nur: Wirecard gilt heute als einer der größten Bilanzskandale aller Zeiten. Die staatliche Wirtschaftsprüferaufsicht Apas leitete deshalb im Mai ein Aufsichtsverfahren gegen die Wirecard-Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) ein. Die EY-Prüfer hatten offenbar jahrelang für die Testierung gefälschter Bilanzen von Wirecard millionenschwere Honorare kassiert, aber den Bilanzbetrug nicht entdeckt. Weil sie nicht wirklich danach suchten? Ach ja, ganz vergessen: Dieser Bose ist der Chef der Apas! Also: noch.
Die kleine Behörde mit 46 Mitarbeitern hatte es bereits in den Jahren zuvor vergeigt, anständig die Wirtschaftsprüfer von Wirecard zu kontrollieren. Dass die wiederum ihren Job anständig gemacht haben, ist zu bezweifeln. Sonst hätte Wirecard doch nicht im Juni zugeben müssen, dass sich 1,9 Milliarden Euro in seiner Bilanz in nichts aufgelöst hatten. Und die Vorstände hätten doch nicht entweder in Untersuchungshaft oder ins unbekannte Ausland abtauchen müssen.
Bose jedenfalls verkaufte seine Aktien am 20. Mai, nach eigenen Angaben, vor einem Gespräch mit der Bafin. Die Finanzaufsichtsbehörde war ebenfalls lange in der Causa Wirecard eher untätig gewesen. Dort betont man bis heute gerne, nicht so richtig für den Finanzdienstleister Wirecard zuständig gewesen zu sein. Gleichzeitig handelten aber auch die Bafin-Mitarbeiter lebhaft mit den lange unglaublich lukrativen Wirecard-Aktien: Fast 500 Mal, 85 Bafin-Aufseher machten mit.
Alles Privatsache, kein Insiderhandel, längst abgestellte Missstände. Sicherlich. Immerhin „befremdlich“ findet Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Zockereien des ihm unterstellten Behördenchefs Bose dann doch. Die Aufsichtsposse, die er in der Nacht zum Freitag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags beichtete, machte nicht nur viele Abgeordnete fassungslos. Jedenfalls zeigt sich hier, dass auch die Polizei Schuld daran haben kann, wenn ein Dieb einen Laden ausräumt.
Richtigstellung:
Die taz hat an dieser Stelle berichtet, Bose habe seine Wirecard-Aktien am 20. Mai 2020 nach einem Gespräch mit der Bafin verkauft. Bose selbst behauptet jedoch laut dem Grünen-Politiker Danyal Bayaz, er habe die Aktien noch vor den Gesprächen verkauft. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Die Redaktion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
BSW-Gründungsversammlung in Bayern
Es geht um Selenskyj, nicht um Söder