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Die WahrheitNeues aus Neuseeland: Invasion der Klöpse

Neues aus Neuseeland: Im Land der langen weißen Wolke wurde nach Jahren bitteren Wartens kürzlich die erste Ikea-Filiale eröffnet.

Ü ber ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Edmund Hillary den Mount Everest bezwang, mehr als drei Jahrzehnte, dass in Deutschland die Mauer fiel, und dazwischen war die Mondlandung. Jetzt feiern wir ein weiteres historisches Ereignis: In Auckland wurde nach sieben Jahren bitteren Wartens letzte Woche die erste Ikea-Filiale im Land der langen weißen Wolke eröffnet. Endlich hat unsere abgeschiedene Nation Anschluss an den Rest der zivilisierten Welt gefunden.

Dass Schwedens Kiefernkolonialismus den untersten Zipfel der Südsee erreicht, hat uns bereits seit Wochen auf allen Kanälen beschäftigt. Am Vortag warnten die Verkehrsbetriebe im Radio, dass es zu 40-minütigen Staus an der Highway-Ausfahrt plus einstündiger Parkplatzsuche kommen könnte. Das schreckte all die, die schon im Morgengrauen vorm Eingang Schlangen bildeten, nicht ab. Sie wurden von DJs beschallt, mit Zimtkrapfen verköstigt und mit blau-gelber Gesichtsfarbe bemalt.

Ein tanzendes Köttbullar-Maskottchen heizte ihnen ebenfalls ordentlich ein. Der Ruf der legendären Frikadelle wehte als Leitmotiv dem Ereignis voraus. Wie Fußballfans beim Einzug ins Stadion grölten die fiebernden und hungrigen Käufer glücklich: „Meatballs, Meatballs“, als sich endlich die Türen öffneten. Neben dem heißbegehrten Fleischklops verblasste jedes Design und selbst die neueste Erfindung auf der Speisekarte: Neuseelands Baisertorte Pavlova, serviert mit schwedischen Preiselbeeren.

Um Punkt 11 Uhr schnitt Premierminister Christopher Luxon das Band zu den heiligen Hallen durch. Der schwedische Botschafter war dabei, und der Nachrichtenticker gab halbstündlich Updates: Die Fleischbällchen schmeckten auch dem Landesvater hervorragend. Um kurz nach zwölf waren bereits Möbel im Wert von 1 Million Dollar verkauft, doch die wurden fast alle online bestellt. Viele Besucher vor Ort kamen erst mal nur zum Gucken und gingen mit Kleinkram nach Hause.

Das Flugzeug, das während der Eröffnung mit einem Banner über Sylvia Park kreiste, war jedoch keine PR der unmöglichen Schweden. „Sod Ikea. Go Akl FC v Nix Sat 5pm“ war die Aufforderung des Football-Clubs von Auckland, Ikea zu vergessen und lieber samstags zum Spiel gegen die Wellington Phoenix zu kommen. Denn auf Profi-Football habe man nicht nur 7, sondern 17 Jahre warten müssen, tönte FC-Boss Nick Becker, der den frechen Fliegerspruch veranlasst hatte.

Der Sportsmann stutzte das Weltereignis für seine Landsleute auf Realgröße zusammen: „Ihr habt noch den Rest des Jahres und die nächsten Jahre, um zu Ikea zu gehen, euch ein paar flach gepackte Möbel zu besorgen, Schrauben zu verlieren, genervt zu sein und euch ein schiefes Bücherregal zu bauen.“ Aber so weit sind wir noch lange nicht. Erst mal Meatballs!

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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