Die Wahrheit: Der Wäschesack ist ein alter Sack
Bahnbrechend Neues aus der Sprachforschung: Der Ursprung aller Sätze – jetzt überraschend in Hannover entdeckt!
Im zweiten Stock des Max-Planck-Instituts für Sprach-ursprungsforschung in Hannover arbeitet die Frau, die dafür verantwortlich ist, dass die internationale Sprachwissenschaft momentan nicht zur Ruhe kommt. Seit Dr. Susanne Verden-Aller und ihr Team die Ergebnisse des Forschungsprojekts „The Roots of Grammar“ veröffentlicht haben, wird an den Sprachinstituten dieser Welt über nichts anderes mehr diskutiert.
Mithilfe neuer Rechenmethoden ist es Verden-Aller gelungen, von historischen Textfunden und mündlichen Überlieferungen zurückzurechnen und auf diese Weise den gemeinsamen sprachlichen Ursprung aller Sätze zu finden. So gelangte die Forscherin zur ersten grammatikalischen Wortkombination, aus der sich später alle modernen Sprachen entwickelten. Sie lautet: „Der Wäschesack ist ein alter Sack!“ Dieser Satz also markiert den Übergang von den Einzelwortsprachen in die Satzsprachen.
Drei Monate nach der Veröffentlichung der Studie sitzt die Wissenschaftlerin in ihrem Hannoveraner Büro auf einem gelben Ledersofa und sagt: „Nicht allen gefällt, was wir herausgefunden haben.“ Sie erhalte dieser Tage wütende Briefe von erklärten Nachfahren der Sumerer. „Gestern wurde ich auf offener Straße auf Altgriechisch beleidigt“, klagt sie.
Verden-Aller gilt vielen als Koryphäe auf ihrem Gebiet. Doch die neue Studie, die inzwischen unter dem Schlagwort „Linguistic-Wäschesack-Turn“ diskutiert wird, bringt sie in Bedrängnis. „Wir haben alle Rechenschritte mehrfach geprüft. Es bleibt dabei“, insistiert sie. „Der Wäschesack ist ein alter Sack!“ sei der erste Satz der Menschheit. Bevor er erstmals ausgesprochen wurde, hätten die Menschen nur durch Laute wie „U“ und „Ö“ oder durch Einzelworte wie „Hund“, „Katze“, „Maus“, „Haus“, „Baum“ oder „Dusche“ kommuniziert.
Aus Einzelworten plötzlich ein Satz
Es ist eine Art Urknall-Theorie der Sprachen, die hier in Hannover entwickelt wurde. „Damals hat sich aus den Einzelworten plötzlich dieser Satz herausgeschält“, erklärt die Wissenschaftlerin. Mit ihm sei die Entwicklung der Sprachen förmlich explodiert. Schon wenige Tage nach diesem ersten Satz hätten Menschen den zweiten Satz ausgesprochen, der bereits deutlich länger und komplexer war als der erste. Er lautet: „Dieses Gerät ist nur zur Reinigung von haushaltsüblichem Geschirr und Besteck bestimmt.“
Verden-Aller sagt: „Danach gab es kein Halten mehr, immer mehr Menschen sprachen in ganzen Sätzen. Man muss sich das als sehr große Entdeckung der Zeit vorstellen, die die Menschen damals vermutlich auch feierten, zum Beispiel mit Sekt.“
Kritik an der Studie kommt aus allen Richtungen: Eine Linguistik-Kollegin aus dem australischen Canberra wirft Verden-Aller in einem Aufsatz vor, methodisch unsauber zu arbeiten. Sie habe die Rechenschritte nicht öffentlich gemacht. „Urheberrecht!“, entgegnet die Hannoveranerin im Gespräch mit der Wahrheit. Und im US-amerikanischen Fachjournal Language beklagt eine Forschergruppe, man verstehe beim Lesen der Studie nicht, ob die zitierten Sätze auf Deutsch gesagt wurden – oder ob es sich um eine Übersetzung handelt.
„Beides richtig“, betont Verden-Aller. Dann gibt sie zu: Auch sie sei von den Ergebnissen irritiert. „Dass Menschen vor zehntausenden Jahren von Wäschesäcken redeten und die Befehle aus einem Handbuch für Geschirrspüler aufsagten, hat auch uns überrascht, denn von diesen Dingen redet niemand gerne“, sagt sie.
Als sie weitersprechen will, stehen plötzlich zwei Herren im Türrahmen, der eine groß und rund, der andere klein und schmächtig. Beide tragen Anzug, ordentlich gescheitelte Haare. „Susanne!“, sagt der Runde, „ich wollte mich im Namen der Wäschesack-Industrie …“, hier hakt der Schmächtige ein: „Und ich mich im Namen der Geschirrspüler-Industrie …“, hier übernimmt wieder der Runde, „noch mal ganz herzlich bedanken!“ Beide halten zusammen eine Packung Merci-Schokolade in den Händen und winken mit einer Rolle Geld.
„Aha, wie schön“, sagt Verden-Aller und springt auf. „Ich komme gleich zu Ihnen“, ruft sie und schlägt die Tür vor den zwei freundlichen Herren zu. „Ich hatte bei den beiden die Blumen gegossen, als sie im Urlaub waren“, erklärt sie dem Reporter und lächelt.
Es ist eine Szene, die die geniale Wissenschaftlerin privat zeigt. Ein wenig unbeholfen, könnte man sagen. Falsch wäre aber auch nicht: ein wenig unhöflich. Als Susanne Verden-Aller zehn Minuten später auch den Wahrheit-Reporter aus dem Büro kommandiert, warten die freundlichen Herren noch immer im dunklen Gang.
Fest steht jedoch: Von den charakterlichen Eigenheiten der Forscherin wird der Mehrwert der Studie nicht infrage gestellt. Der Wäschesack-Turn bleibt ein Meilenstein der Sprachforschung oder, wie man es vor Entwicklung der Satzsprachen sagte: „Katze“, „Maus“, „Dusche“.
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