Die Wahrheit: „Spielregeln sind aus – nein, out“
Aufgrund weiträumig geänderter Weltgeschäftsbedingungen: Spieleentwickler Kai Bröt im Wahrheit-Gespräch.
taz: Herr Bröt, wir sitzen hier an Ihrem Geschäftssitz in Köln-Porz. Umgeben sind wir von Spieleerfinderpokalen, Gaming-Medaillen und Poker-Urkunden: Was war ihr letzter großer spielerischer Erfolg?
Kai Bröt: Sie werden lachen …
… ich versuche es.
Also, ganz im Ernst: Hinter praktisch allen Gewinnern des „Spiels des Jahres“ seit Anbeginn anno 1979, befinde ich, Kai Bröt, mich als Mastermind und mehr.
Was meinen Sie mit „mehr“?
Genau das: Mehr und mehr. Ob „Die Siedler von Catan“ von 1995, „Adel verpflichtet“ von 1990 oder „Scotland Yard“, das war 1983: Wer auf seiner Scholle nicht würfelt, zum High Tea nicht rauskommt oder den Kommissar vergisst wegzukegeln, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er unterm Spielbrettstrich verliert.
Das ist jetzt aber keine neue Erkenntnis, Herr Bröt. So geht es auch jenseits des Spielbretts im wahren Leben zu.
Das wahre Leben! Ich konnte es noch nie hören.
Doch, ich schon! Hören Sie mal: Da draußen vor ihrem Souterrainfenster, hören Sie das?
Na, hören Sie mal, Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen!
Keineswegs, das würde ich auch gar nicht schaffen. Aber schon mal was vom Lied der Amsel im Frühling gehört?
Klar, bei „Hase und Igel“, da gibt es in der neu aufgelegten Ökoplus-Variante 49 Extrapunkte für die Bank aus zertifiziertem Holz, aber nur wenn das Amsellied korrekt in Karaoke-Form dargeboten wird.
Interessant.Ja, fürwahr interessant. Sie spielen wohl nicht gern?
Doch, sehr.
Was denn?
„Rummikub“ und „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“.
Rummikub kenne ich – Rommé für Arme und das einzige Spiel des Jahres, das mal nicht von mir stammte, war gleich 1980. Aber: „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“?
Ja, „Stadt-Land-Fluss-Auspuffgeräusche“!
Wie sind denn da die Regeln?
Also, bei Autos und Lkws, nicht bei E-Mobilen, aber bei allen anderen, also, da kommen ja hinten Geräusche heraus. Und die gilt es, so lautmalerisch wie alphabetisch zu notieren, möglichst als Einziger, weil, dann kriegt man ja 20 Punkte und die anderen bekommen keine. Ich hatte letztens dreimal hintereinander 20 Punkte mit: „Crrrrkkkssskkrrr“, „Pröööötpffff“ und dann noch mal mit „Aaaamaaarsssschhh“.
Nun seien Sie mal nicht so altklug, die Spielregeln von „Stadt-Land-Fluss“ sind mir bekannt, ich bin ja schließlich Spieleentwickler.
Das ist auch mir bekannt – gutes Stichwort!: „Spielregeln“. Das steht hier auf meinem Zettel. Wollen Sie mal sehen?
Nein.
Gut, wie steht es denn dann um den Zustand von Spielregeln in diesen dynamisch-disruptiven Zeiten?
Spielregeln sind aus – nein, out, oder lassen Sie es mich ein wenig sinnlicher formulieren: Spielregeln sind weiträumig aus der Mode gekommen, ich möchte sagen, Spielregeln sind mausetot, ja, sie sind schlicht nicht mehr die Regel.
Was heißt das für Sie, Herr Bröt, als Spieleentwickler und Spieleerfinder im rechtsrheinischen Köln-Porz?
Natürlich läuft auch hier das Wasser herauf und herunter, im Rhein wie anderswo, das ist der Lauf des Lebens, wenn auch nicht des wahren, wir sprachen ja schon darüber.
Richtig. Doch was folgt daraus?
„Monopoly“ muss neu erfunden werden! Von mir.
Sie haben recht.
Sehen Sie.
Wie gehen Sie vor?„Monopoly Zero“. Ich bin dran.
Zero?
Ja! „Monopoly“ komplett regelfrei – und gegen den Uhrzeigersinn! Dreier-Pasch oder Park-Allee? Spielanleitung? Interessieren nicht mehr die Bohne. Alle machen simultan, oder auch nicht, alles, was sie wollen, und zum Schluss ist das Spielbrett kaputt.
Und wer verdient daran?
Ich natürlich. Sie brauchen ja dann ein neues Spielbrett. Und das gibt es nur bei mir, bei Kai Bröt aus Köln-Porz.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bröt. Das Spiel ist aus.
Ja, ich gewinne immer.
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