Die Wahrheit: Literatur gegen Arschtrompeten
Damit es auch bei Schreibblockaden so richtig flutscht: Schriftsteller und ihre Treibstoffe. Eine kleine Revue mit tanzenden Rauschmitteln aller Art.
Friedrich Schiller kam auf Touren, indem er den Duft fauler Thüringer Äpfel inhalierte. Heinrich Mann sammelte in einer Schublade Fotos üppiger Frauen, um sich aufzuheizen. Arno Schmidt hielt mit billigem Korn den Funken am Laufen, und Günter Grass, um von den oberen Etagen der Literatur herunterzuklettern, füllte breite Romane ab, sobald seine Frau mit Nachwuchs dick und prall wurde.
Die Literaturgeschichte ist mit Beweisen vollgestopft: Schriftsteller jeden Grades brauchen Hilfsmittel, um ihr Gehirn in Gang zu bringen und über Stunden summen und brummen zu lassen – bis es abbricht. Doch was dann auf Opas Papier steht, auf der braven Festplatte eingekerbt ist oder in der Cloud irgendwo im Äther verschwunden ist, das ist ein neues Stück handgemachter Literatur, auf das die Welt bestimmt wartet.
Eine Schreibblockade kann da nur tödlich sein. So manches blühende Talent, das selbstgenügsam auf außerliterarische Tricks und Kniffe verzichtete, ward verdurstet, verhungert und verschimmelt vor einem leeren Schreibtisch gefunden, wenn nach Jahren ein vergessener Freund aus alten Schulzeiten, der längst vom Schreibeln und Dichteln aufs Immobiliengeschäft umgesattelt hat, die Wohnung aufbricht, um sie wie das ganze ergaunerte Mietshaus luxuszusanieren und an dumme reiche Arschtrompeten zu verhökern.
Beispiele für solche gescheiterten Existenzen gibt es wie Kehricht in der Mülltonne, aber für blühende Talente ohne Fortüne eben auch. Kaffee, Alkohol und Tabak sind in der schreibenden Zunft die häufigsten Krücken, seltener Drogen oder ein Weltkrieg – allerdings kann ein Weltkrieg auch nach hinten losgehen, siehe Ernst Jünger.
Hauswände voller Gedichte
Eine andere Methode, die Inspiration zu kitzeln, ist geistesverwandt: in andere Länder reisen. Um von der satten Vergangenheit in die weniger bekannte Gegenwart umzusiedeln: Der deutsche Fassadendichter Trotti, von dem man nur den Namen weiß, schreibt statt auf Papier auf Hauswände und hinterließ zuletzt in der geplagten Ukraine dieses menschliche Gedicht:
Lies dieses Haiku
Ich hab es für dich gemacht
Schnell! Schon ist es aus
Wie man sofort erkennt, eine geistreiche Anspielung darauf, dass es im Krieg jeden Tag „aus“ sein kann und sich ein jeder sputen sollte, um Trottis Kunstwerk vorher noch „schnell“ zu lesen.
Kraft und Freude aus der blanken Natur schöpft die Lyrikerin Wolfhilde Weimer, die nach eigenen Angaben mit Blümelein im Haar durch die Auen tanzt und Bäume umarmt, um einen Ausgleich zu ihrer selbst geschriebenen Großstadtlyrik zu finden: „tote fenster an kalten häusern / kalte menschen mit toten augen / kalte augen in kalten fenstern / tote menschen in toten häusern / an toten straßen / aber die liebe“
Sie selbst lebt verständlicherweise allein in der modernen Gesellschaft und ihrer Hochhauswohnung. Einen japanischen Untermieter hält sich hingegen der junge Flensburger Peer Werser. Wann immer der Zen-Meister merkt, dass der schöpferische Fluss stockt, tritt er dem begabten Autor plötzlich und unerwartet mit Volldampf in die Seite, dass er vom Stuhl fliegt, oder verpasst ihm mit einer Bambusrute einen scharfen Hieb auf den Kopf, um die Blockade schockartig zu lösen. Mit Erfolg, wie Wersers Texte beweisen, denen ahnungslose Kritiker totale Zusammenhang- und Sinnlosigkeit vorwerfen – also genau das, was unsere Gegenwart prägt.
Gedichte mit Gewicht
Auf andere Weise das Verhältnis von Kopf und Körper löst Henner Hepp, der sich als Dichter Cäsar Zeh nennt. Mit Morgengymnastik, Waldlauf, 1.000 Metern im Hallenbad und zum Abschluss Gewichtheben gestaltet der Muskelprotz den Tag; „und wenn ich aus der Muckibude heimkomme, ist meine sensibel duftende Frau Rose-Jasmin genau wie ich fertig und hat ein Gedicht hingelegt, das ich dann unter meinem Namen publiziere“, so der Kotzbrocken und zitiert das jüngste Werk mit dem Titel „Frage“: „Klimaschützer, Klimaschützer! / Bist du denn / ein guter Mensch? / Oder willst du nur / dein eigenes Gewissen / beruhigen / anstatt meinem? / Du Arsch!“
„Die letzten zwei Verse sind natürlich von mir“, lacht der Drecksack, dessen schüchternes Liebchen sich nun mal nicht in die Brutalmaschine namens Öffentlichkeit traut.
Im Unterschied zu Bernhardine Sendtling, die wie der junge Arno Schmidt stapelweise Romane, Dramen, Gedichte, Opernlibretti für den Papierkorb schrieb, anders als Günter Grass. Ihr Erfolg kam, als sie Katzenvideos sah und von einer Inspiration nach der anderen überrollt wurde. Seither lässt sie ihren Stubentiger über die Tastatur laufen – und schon erscheint jetzt ihr Lyrikband „.Ged8gnmicxte?ittttt K#ätz56e“ bei Matthes & Mietz.
Genau so. Gestern, heute und auch morgen: Die deutsche Literatur lebt! Donnerwetter!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!