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Die WahrheitIm Bauch der Göttin

St. Brigid’s Day ist halb ein Feiertag zum weiblichen Gedenken, halb ein Sauftag für die feierwütigen Iren, die keinen Feiertag auslassen.

D iesen Montag ist in Irland ein Feiertag – der St. Brigid’s Day. Eigentlich war der schon am Samstag, dem 1. Februar, aber die Iren haben noch nie das dämliche Konzept von „arbeitgeberfreundlichen Jahren“ verstanden. Fällt ein Feiertag auf ein Wochenende, ist stattdessen der folgende Montag frei.

Die Grünen haben den St. Brigid’s Day durchgesetzt, als sie 2020 als Mini-Partner in die Koalition einstiegen, damit man später wenigstens einmal im Jahr an sie denken würde. Sie ahnten wohl, dass sie vier Jahre später in der Versenkung verschwinden würden. So wird nun jedes Jahr sowohl der Festtag der Heiligen als auch Imbolc, das Fruchtbarkeitsfest zum Frühlingsanfang, begangen. Es ist der erste irische Feiertag, der nach einer Frau benannt wurde.

Imbolc stammt aus dem Irischen, es bedeutet „im Bauch“ und bezieht sich auf die Zeit der Geburt, wenn die Lämmer in den Bäuchen der Schafe wachsen. Die Göttin Brigid war eine der wichtigsten Gottheiten des vorchristlichen gälischen Irland. Da der katholische Klerus den Iren den heidnischen Glauben nicht gänzlich austreiben konnte, vereinnahmte er ihn kurzerhand. Aus der gälischen Göttin wurde eine christliche Heilige, die offiziell allerdings nie von einem Papst zur Heiligen erklärt wurde.

Der St. Brigid’s Day wird neben dem vernachlässigungswerten religiösen Aspekt auch mit Theater, Musik und Ausstellungen gefeiert. Als „bahnbrechendes Ereignis“ wurde jetzt ein „Abend für die Gleichberechtigung“ angekündigt. Im Werbetext heißt es allen Ernstes, dass „ein hochkarätiges Aufgebot an männlichen Künstlern auftritt, darunter Bob Geldof, Amble, Jack L und Robert Grace, um nur einige zu nennen“.

Wo es ein Festival gibt, tauchen auch Trittbrettfahrer auf, die ein paar leicht ergaunerte Euros wittern. Voriges Jahr organisierten sie das „Cycle of Life Global Forum“ in Dublin, zeitgleich mit dem St. Brigid’s Day und dem Internationalen Tag der Nulltoleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung. Es sollte ein jährliches Event mit „renommierten Interessenvertretern, angesehenen Akademikern, weltbekannten Persönlichkeiten aus Sport, Kunst und Medien, Supermodels sowie gleichgesinnten Weltführern und Philanthropen“ werden, wie der Organisator der Veranstaltung, Seán Collins-McCarthy, großspurig verkündete.

Den Anfang sollten Auma Oba­ma, die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten, sowie die Geschäftsleute Denis O’Brien und Richard Branson machen. Die wussten allerdings von nichts.

Am Ende saßen ein paar Vertreterinnen verschiedener Organisationen, die bis zu 10.000 Euro gezahlt hatten, in einem winzigen Raum in einem schäbigen Hotel – ohne Gäste, ohne Presse und ohne hochkarätige Geldgeber für ihre Projekte.

Beannachtaí na Féile Bríde oraibh go léir! Ihnen allen einen fröhlichen St. Brigid’s Day!

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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