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Die WahrheitEine schrecklich reiche Familie

Wer auf Airbnb eine Ferienwohnung anbietet, muss immer mit dem Tod rechnen. Das unmoralische Unternehmen stellt ihn jedenfalls gern in Rechnung.

W ir waren Teil einer großen Familie. Manchmal meldete sich sogar das Oberhaupt Brian Chesky mit einer Videobotschaft, in der er sich artig dafür bedankte, dass man „ein geschätztes Mitglied unserer Community“ sei. Das gehörte sich auch, denn schließlich hat ihn diese Community zum Multi-Milliardär gemacht.

Chesky ist Co-Gründer und Geschäftsführer der Unterkunftsplattform Airbnb. Im Oktober 2007 fand in San Francisco eine große Konferenz statt, und die Hotelzimmer waren ausgebucht. Da Chesky und sein Mitbewohner Mühe hatten, ihre Miete zu bezahlen, vermieteten sie einen Teil ihrer Wohnung an Gäste der Konferenz. Sie legten drei Luftmatratzen ins Wohnzimmer und vermarkteten ihre Idee als „Airbed and Breakfast“.

Von der Luftmatratze hat man sich längst verabschiedet, heutzutage kann man Luxusunterkünfte, Schlösser und Jachten mieten, was allemal lukrativer ist – für Chesky und seine Partner. Die Gastgeber verdienen auch ein bisschen, wenn sie brav sind und die Airbnb-Gesetze befolgen. Das taten wir lange Zeit. Wir vermieteten unseren kleinen Anbau mit Küche und Bad, und an der irischen Westküste nimmt man niemandem Wohnraum weg, wenn man ab und zu an Touristen vermietet.

Dann starb meine Mutter, und wir mussten zum ersten Mal eine Buchung stornieren. Das war zunächst kein Problem, der Gast fand schnell eine andere Unterkunft, aber Airbnb verhängte gegen uns eine Strafe in Höhe von 50 Dollar.

Nachdem ich den Grund für die Stornierung erklärt hatte, erhielt ich eine Antwort von Manar vom Airbnb Support Team, der sich nicht sicher war, ob er mich duzen sollte: „Ich hoffe, dass es dir mit dieser Nachricht gut geht. Bitte senden Sie mir so schnell wie möglich die folgenden Dokumente: Sterbeurkunde; Nachruf (aus einer Zeitung, einer Veröffentlichung oder online); Nachrichtenartikel zum Tod (der Artikel muss die betreffende Person nennen); Polizeibericht. Sie haben eine Frist von 7 Tagen, um die Dokumente zu senden.“

Meine Mutter war nicht berühmt, daher gab es keinen Nachruf oder Zeitungsartikel. Da sie 96 Jahre alt und nicht ermordet worden, sondern eines natürlichen Todes gestorben war, gab es auch keinen Polizeibericht. Und sie hat den Fehler gemacht, in Berlin zu sterben: Dort dauert es mindestens sechs Wochen, bis eine Sterbeurkunde ausgestellt wird.

Meine Vermutung, dass Manar ein KI-Programm sei, machte ihn wütend: „Bitte kommunizieren Sie in Zukunft respektvoll und vermeiden Sie unangemessene Ausdrucksweisen im Umgang mit Community-Mitgliedern und unseren Support-Botschaftern. Bitte beachten Sie, dass wir bei ähnlichen Meldungen in Zukunft Maßnahmen gegen Ihr Konto ergreifen können, einschließlich der Entfernung Ihres Inserats von der Airbnb-Plattform.“ Das haben wir dann selbst getan.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • Na ja, sie nehmen es halt von den Lebenden.



    Auch bei diesem "Verein ",



    Göttin sei Dank, noch keine diesbezüglichen Toten zu beklagen...