Die Wahrheit: Nicht so anstellen, sonst läuft nix
Die neue Beziehungssuche in jedem Alter: Immer schön auf dem Liebesmarkt die Ansprüche auf alle Fälle ganz, ganz klein halten.
In der Süddeutschen Zeitung warnte kürzlich ein Artikel vor überhöhten Ansprüchen bei der Beziehungssuche. Es gebe zu viele „Red Flags“, mit denen bestimmte Eigenschaften eines potentiellen Partners bereits im Vorfeld des Anbahnungsprozesses als absolutes Dating-Hindernis markiert werden.
Bücher wie „Das Ende des Romantikdiktats“ der Soziologin Andrea Newerla sollen mit solchen übertriebenen Forderungen aufräumen und realistischeren Erwartungen Platz machen. Die vielen abzuhakenden Check Boxes und errichteten Red Flags verhinderten, so ihr Argument, weniger das junge Unglück als vor allem auch das junge Glück. Denn sie unterlägen einer „Logik des Shoppens“.
So kriegst du keine ab, lautet die Message dahinter. Stell dich nicht so an. Bleibe offen. Sei flexibel und tolerant. Gegenüber allem. Einfach zugreifen, nicht wählerisch sein, jedes Miststück muss raus – so heißt jetzt offenbar die Devise. Im Wettstreit um die besten Paarungsoptionen kann sich kein vernünftig denkender und handelnder Mensch pseudoredlichen Bullshit wie Grundsätze, Anschauungen und Überzeugungen leisten. Mit solchen Luxushaltungen kann man heutzutage nicht mal mehr in die Politik gehen.
Als Beispiele für verzärteltes und übersensibles Partnerwahlverhalten werden in der SZ das hartnäckige Beharren auf Petitessen wie die politische Einstellung erwähnt, oder kaum greifbare Krümelkackereien wie „Er setzt sich nicht für Gleichberechtigung ein“.
Diskussion statt Dissens
Man solle doch lieber miteinander reden, heißt es in dem feuilletonistischen Bubenstück weiter. Erklärt der Kandidat sich und seine Motive dann – „Was für ein Kack. Ich hasse solche Weiberscheiße“ –, ist das doch besser, als ihn nur wegen einer harmlosen persönlichen Meinung von vorneherein abzulehnen. Anstatt des Dissens ergibt sich endlich eine Diskussion.
Man weiß, was den anderen bewegt, woran man ist. Und ach, er hasst halt Frauen und ist weder bereit sich, noch an der Welt was zu ändern. So what, es gibt auch Leute, die die Serie „The Bear“ nicht mögen oder Kohlrabi verabscheuen. Auf dieser fruchtbaren Basis lässt sich doch ein stabiles Beziehungshaus errichten, das auch einen ganz besonders geräumigen Keller bietet.
Dennoch strotzen die Userprofile auf Datingportalen wie „Schinder“ (für Vielficker), „FuckYou“ (für Schnellficker), „OkStupid“ (für Leute, die sich für schlau halten) oder „Mumble“ (für schüchterne Männer) noch immer vor überzogenen Red Flags: Der Partner solle kein Waffennarr sein, nur in Maßen Crack rauchen und nicht den Holocaust leugnen. Was für ein eitles Blabla!
Als „romantische Vorstellungen“ euphemisiert Nawala in ihrem Buch solcherlei wohlstandsverwahrloste Anspruchshaltungen. Nennen wir hier mal einen selbstgefälligen Irrsinnsvorsatz wie: „Für mich ist es ein No-Go, wenn der Partner komplett bescheuert ist.“ Genau solche verzuckerten Wunschträume können nämlich schnell zu lebenslangem Alleinsein führen. Wer ständig als Miss Picky unterwegs ist, wird natürlich nie den oder die Richtige finden.
Die lehrreiche Botschaft: Wir sollten uns endlich die ausschließliche Existenz in bequemen Blasen abschminken, überall im Leben, aber ganz besonders in der Liebe. Denn wo sich Menschen verbinden, die bei einer analogen Erstbegegnung normalerweise die Straßenseite wechseln würden, erweitert sich auch der Genpool in nie erhofften Dimensionen.
Es kann schließlich superinteressant sein, wenn zum Beispiel ein Partner immer frisch gewaschen duftet und der andere ein permanent mit Scheiße überzogener Neandertaler ist. Wie herrlich man sich da aneinander reiben kann, auch buchstäblich.
Wer hingegen auf seinen allzu woken Flausen besteht, wie dass die Partnerin bitte kein begeistertes AfD-Mitglied zu sein habe, kann eben auch in Zukunft weiter einsam und allein Taschenbillard spielen. Sollte man nicht viel eher auf das Positive eingehen, wie auf ebendiese Fähigkeit zur Begeisterung? Auch hier heißt es wieder: „Reden, reden, reden!“ Und wenn das nicht hilft: „Schreien, schreien, schreien!“
Eine Partnerschaftssuche ist nun mal kein Ponyhof, sondern ein Haifischbecken, in dem sich neben Haien erfahrungsgemäß auch Piranhas, Barrakudas und Salzwasserkrokodile tummeln. Balz ist Krieg und Krieg ist Balz – das lehrt uns nicht zuletzt die Tierwelt.
Gar nicht mal so zufällig ist daher Eva Braun die Schutzpatronin des „Vereins der rational Datenden“ (VRD), dessen Leitspruch „Unglück suchen, Glück finden“ und seine Vereinshymne „Bei Tag und Nacht sind alle Katzen grau“ nach der Melodie des Beatles-Songs „Yellow Submarine“ sind.
Ansprüche müssen komplett heruntergeschraubt, abmontiert, verladen, abtransportiert und vernichtet, Flaggen verbrannt, Linien ausradiert und Grundsätze geschleift werden. Dann klappt es auch mit dem bösen Nachbarn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind