Die Wahrheit: Eine Story von der Morning Glory
Oasis reformieren sich und alle Welt will zu den Konzerten. Auch eine kleine Familie in Irland.
I ch habe als Vater versagt: Meine beiden Kinder sind Oasis-Fans. Ausgerechnet Oasis mit ihren belanglosen Texten, einfallslosen Melodien und widerlichen vorgestrigen politischen Ansichten. Aber damals, in den neunziger Jahren, hielt ich mich zurück, denn ich erinnerte mich daran, wie mein Vater meine Lieblingsbands in den späten sechziger Jahren niedergemacht hatte. Die Zurückhaltung habe ich inzwischen aufgegeben.
Britpop sei rhythmisch unterentwickelt, sagte mir der Musikexperte Jeremy Gilbert 1997: „Das liegt an der kulturellen Inzucht einer weißen Poptradition, die sich schon lange von ihren Rhythm-and-Blues-Wurzeln verabschiedet hat. Britpop ist Blairismus: der Triumph der einheimischen weißen Kultur über schwarze US-Kultur.“ Mit seiner Rückkehr zum Drei-Minuten-Popsong, den der Milchmann vor sich hin pfeifen könne, und der Heraufbeschwörung eines kleingeistigen Großbritanniens habe Britpop der Zukunft eine Absage erteilt.
2009 war es zum Glück vorbei mit Oasis, die Kotelettenbrüder Liam und Noel Gallagher zerstritten sich und wollten „nie wieder zusammenspielen“. Aber Geld ist stärker als jeder Familienzwist. Vorigen Dienstag kam die Meldung, dass sich Oasis im nächsten Sommer für eine Tournee durch Großbritannien und Irland reformieren. Das bringt den Gallaghers je 50 Millionen Pfund ein – mehr als sie in den gesamten Neunzigern kassiert haben.
Am Samstagmorgen begann der Vorverkauf online. Da wir unsere Kinder mögen, stellten Áine und ich den Wecker und lauerten ab halb acht am Computer. Die Zeitungen hatten Tipps gegeben, wie man die Chancen auf der Website von Ticketmaster, dem Monopolisten mit seiner kriminellen „dynamischen Preisgestaltung“, die den Preis in ungeahnte Höhen treibt, verbessern kann.
Blick nicht zurück im Zorn
Sekunden nach acht Uhr standen 500.000 Menschen in einer virtuellen Warteschlange. Ich war auf Platz 174.809, Áine lag abgeschlagen auf 240.654. Wenn man bedenkt, dass in den Dubliner Croke Park an den zwei Konzerttagen insgesamt nur 160.000 Menschen passen, schien die Sache aussichtslos. Anderthalb Stunden später war ich auf Platz 100.035 vorgerückt. Dann kam eine Textnachricht: „Während du in der Warteschlange warst, haben Oasis sich getrennt.“ Eine Falschmeldung.
Gegen halb elf – ich lag längst wieder im Bett – war Áine plötzlich auf Platz sieben gesprungen. Allerdings kosteten vier Stehplatztickets inklusive exorbitanter „Servicegebühren“ inzwischen 2.000 Euro. Da gab auch sie auf. Unsere Kinder waren erfolgreicher. Wie viel sie haben, verrieten sie nicht.
Der britische Musikjournalist Simon Price schreibt: „Der Teil der Öffentlichkeit, der sich noch immer nostalgisch an die einfacheren Zeiten der Euro 96 und der ersten Blair-Regierung erinnert, feiert ausgelassen. Britpop kommt nach Hause.“ Und da möge er auch bleiben.
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