Die Wahrheit: Sprossen vom Genossen
Glück in der Politik, Pech in der Liebe: Das Traumpaar Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine geht künftig getrennte Wege. Ein exklusiver Ehereport.
Sie sind das Traumpaar der deutschen Politik. Seit 2011 liiert, seit 2014 verheiratet, scheinen diese beiden linken Herzen unablässig füreinander zu schlagen, allen Hindernissen zum Trotz. Doch jetzt gehen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine offenbar getrennte Wege. Wie konnte das geschehen?
Beide sitzen am Frühstückstisch in ihrem Haus in Merzig, einem beschaulichen Städtchen im Saarland. Hier haben sie die Tage gemeinsam begonnen, hier gab er, der 26 Jahre ältere „Napoleon von der Saar“, seiner Frau, der „Wiedergängerin von Rosa Luxemburg“, stets gute Ratschläge mit, wenn sie aufbrach, um die Welt ein Stück besser zu machen. Und jetzt soll alles nur noch schlecht zwischen ihnen sein?
„Über zehn Jahre lang war unser Bündnis geprägt von Vernunft und Gerechtigkeit“, sagt Wagenknecht, spielt mit den Fransen der Tischdecke und schaut ihren Mann noch einmal verschmitzt nostalgisch an. Er habe sie „auf Händen getragen“. Doch dann verdüstert sich ihr Blick, das Croissant liegt unberührt vor ihr. Jetzt, im Alter von 80 Jahren, schaffe er es kaum noch, sie Huckepack zu nehmen, seufzt sie, und er habe ja ohnehin „die Neigung hinzuschmeißen, wenn es schwierig wird“. So kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland könne sie nicht riskieren, sich den Hals zu brechen.
Ein kleiner Knacks habe noch niemandem geschadet, widerspricht Lafontaine, und seine Stimme klingt wie zu besten Wahlkampfzeiten: Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, habe 1990 nach dem Messerattentat zu ihm gesagt, der Stich in Oskars Hals habe der SPD zwei Prozentpunkte gebracht. Die Partei seiner Frau stehe in den Umfragen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zwischen 11 und 18 Prozent, da gebe es noch viel Luft nach oben, „quasi Halskrause aufwärts“. „Und Sahra hat immer gewusst, bei mir kann sie sich fallen lassen. Von Auffangen war nie die Rede.“ Er beißt beherzt in eine Brötchenhälfte.
Problem Kochen
Apropos Essen: Ein großes Problem sei auch das Kochen. „Ich bin ja Ruhegeldempfänger, ich habe ja Zeit. Wenn Sahra abends nach Hause kommt, steht schon alles auf dem Tisch. Früher fand sie das toll. Aber diese Rollenverteilung ist ihr plötzlich …“, Lafontaine verzieht das Gesicht, „… zu großstädtisch.“ Sie verliere gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern an Glaubwürdigkeit, argumentiert Wagenknecht. „An den Herd gehört nun mal kein Mann.“
Die Leute in Merzig tuschelten schon, wenn sie ihn mit Schürze im Küchenfenster stehen sähen. Viel schlimmer sei allerdings, klagt sie, dass er „nur noch veganes Zeug kocht, wegen der Enkel.“ Sie verdreht die schönen braunen Augen. „Er holzt den Regenwald ab, weil seine Brut bloß Soja frisst. Sprossen vom Genossen, da lobe ich mir eine Currywurst! Dieser Haushalt ist ein Scheidungsgrund. Wer das Gastgeberrecht missbraucht, der hat das Gastgeberrecht dann eben auch verwirkt.“ Sie blickt angewidert auf das Brötchen in seiner Hand. „Schon wieder bittere Orangenmarmelade.“
Die Ehekrise hatte sich wohl schon im Januar angedeutet, als seine Frau die Gründung ihres Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bekanntgegeben hatte. Lafontaine hatte damals gesagt: „Politisch unterstütze ich die Entscheidung meiner Frau natürlich. Als Ehemann bin ich aber nicht begeistert davon.“ Er habe nach ihrem Austritt aus der Linkspartei darauf gehofft, endlich mehr Zeit mit ihr zu verbringen, „auch mal Minigolf zu spielen oder Monopoly“. Er lächelt verbittert: „Sie wollte immer auf der Schlossallee bauen, damit sie gewinnt.“ Aber als er ihr jetzt das Spiel zu ihrem 55. Geburtstag schenkte, habe sie sich überhaupt nicht gefreut.
„In der neuen Edition gibt es keine Goethe-, Schiller- und Lessingstraße, wie es sich gehört, sondern die Dietrich-, Knef- und Schygulla-Straße“, erregt sich Wagenknecht heftig. „Und auf den Ereigniskarten steht:,Sie haben Geburtstag, jeder Mitspieler schenkt Ihnen 100 Euro.' Ist das zu fassen?“ – „Stimmt eigentlich“, gibt ihr Mann zu, „100 Euro, das sind ja in D-Mark keine 200 Mark.“
Ukrainische Putze
Also haben sie die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen, vielleicht doch noch nicht ganz verloren. Gibt es für ihre Liebe eine zweite Chance? Wagenknecht zuckt mit den Schultern. „Er weiß, was er dafür tun müsste.“ Ihr Mann wendet den Blick von ihr ab. „Sehen Sie! Da wird er bockig!“ Sie lacht hämisch auf. „Ich habe ihm schon hundertmal gesagt: entweder seine Natalia aus Kiew oder ich.“ Lafontaine stöhnt. „Meine Güte, sie putzt bei uns. Du bist ja nie da. Und wenn doch, dann wische ich dir bestimmt nicht hinterher.“
Wagenknecht ignoriert die Bemerkung. „Kein Wort Deutsch konnte sie, außer irgendwie halbwegs das Wort Asyl aussprechen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass an ihrem angeblichen Wohnsitz meist gar niemand ist? Ich will ja nicht pauschalisieren, aber bei uns in Merzig wurden ganze Häuser angemietet für ukrainische Flüchtlinge, die alle in ihre Heimat zurückfahren, dort faktisch leben und nur herkommen, um ihr Bürgergeld zu kassieren.“
Lafontaine verschränkt die Arme. „Du bist doch nur eifersüchtig.“ Seine Frau seufzt. „Früher hättest du jetzt von Fremdarbeitern gesprochen, die unseren Familienvätern die Arbeitsplätze wegnehmen. Das waren noch Zeiten. Tja, aber die sind wohl auch vorbei.“
Die Fronten zwischen den beiden scheinen tatsächlich tief verhärtet zu sein. Wagenknecht deutet sogar eine neue Beziehung an. Schon bei der Linkspartei sei sie nach dem Prinzip vorgegangen: „Macht man etwas kaputt, dann sollte man das nur machen, wenn man weiß, dass man etwas Neues aufbauen kann.“ Konkreter wird sie allerdings nicht: „Auf Landesebene kann ich mir viel vorstellen.“ Ihr Mann, der einst ihre „große Liebe“ war, grinst: „Der Kretschmer ist zu jung für dich, du stehst doch auf Ältere.“ Wagenknecht wirft die Serviette auf den Tisch, steht auf. Sie strebe eine gütliche Trennung an, sagt sie, aber nicht um jeden Preis. „Krieg oder Frieden. Du hast die Wahl.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind