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Die WahrheitMückentränke mit Aluhut

Corona ist wieder da! Und damit auch der Verschwörungsliebhaber von nebenan. Über den Gartenzaun werden vom Nachbarn die neuesten Theorien gereicht.

I st das ansteckend?“, fragt unser neugieriger Nachbar. Er steht mal wieder uneingeladen in unserem Vorgarten herum und stellt investigative Fragen. Heute interessiert er sich für die roten Pusteln an meinen Armen und Beinen. „Wonach sieht’s denn aus?“, frage ich.

„Beulenpest!“, gibt sich der Nachbar überzeugt. Medizinisch leben mein Nachbar und ich in unterschiedlichen Welten, das hatte ich schon in der Coronazeit gemerkt. Das Covid-Virus hat er geleugnet. Wenn er meine Mückenstiche nun für den Schwarzen Tod halten möchte, kann ich ihn nicht daran hindern. Immerhin hat er damit eine Infektionskrankheit gefunden, an die er glauben kann. Plötzlich sieht mein Nachbar sogar den Sinn von Distanzregeln ein: Er springt einen Schritt zurück und starrt entsetzt auf die Grube, die ich im Vorgarten aushebe. „Ist die für die Freundin?“, will er wissen. „Die hat’s noch schlimmer erwischt“, ächze ich.

Mit 57 zu 48 hat meine Freundin unseren Urlaubscontest eindeutig gewonnen, das hat die offizielle Auszählung unserer Mückenstiche gestern Abend ergeben. Nicht nur, dass meine Freundin wieder in ihrer Paradedisziplin „Meistgestochene Touristin“ reüssieren konnte, auch das Bärchenpflaster für den aufgekratztesten Stich hat sie eingeheimst, während ich mir immerhin den Sieger-Eisbeutel für den größten Quaddel verleihen konnte.

Vielleicht hätten wir zur Sommerfrische nicht ausgerechnet an den Mückeliner See bei Klein Mückow in Mücklenburg fahren sollen. Allerdings drohen die kataklysmischen Regenfälle dieses Jahr das ganze Land in ein sumpfiges Tümpelfeld zu verwandeln, an dem wirklich nur Mücken und Finnen Gefallen finden können.

Auch in unserem Vorgarten ist während unserer Abwesenheit eine knöcheltiefe Seenplatte entstanden, in dem die Blutsauger sofort ihre Larven-Kitas einrichten, wenn ich ihnen nicht schleunigst das Wasser abgrabe. Falls mein neugieriger Nachbar meinen Entwässerungsgraben jetzt für ein Pestgrab halten will, kann ich ihn nicht daran hindern.

„Die Pest wird durch eine ungünstige Konstellation von Saturn, Jupiter und Mars hervorgerufen. Sie sollten die nächsten Monate vielleicht einen Schutzhelm tragen“, souffliere ich ihm Erkenntnisse neuzeitlicher wie mittelalterlicher Alternativmedizin, die er begeistert aufnimmt, bis meine Freundin aus der Tür wankt.

Sie hat ihre Mückenstiche mit essigsaurer Tonerde eingeschmiert, die nun in rissigen Flocken abblättert. „Es sind die Blattern!“, quiekt der Nachbar und bringt sich mit einem weiteren Sprung über seinen Jägerzaun in Quarantäne. Weil wir trotz allem gute Nachbarn sein wollen, haben wir noch einen Ratschlag für ihn. Er soll sich mal ordentlich schröpfen lassen, rufen wir ihm zu, Aderlass hilft gegen Pest wie Pocken. Wenn auch nicht gegen Leichtgläubigkeit, wie sich herausstellt. Seither verdingt sich der nur mit einem Aluhut bekleidete Nachbar als beliebte Mückentränke aber immerhin im eigenen Vorgarten.

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