Die Wahrheit: Allerletzte Folgen von Corona
Medial wirkt sich die Pandemie immer noch aus und produziert weiterhin Dilettantismus. Drei Grundregeln für saubere Gespräche im virtuellen Raum.
A llerorten fordern Menschen jetzt, „die Pandemie aufzuarbeiten“. Sie meinen damit jedoch keine wertfreie Evaluierung der Maßnahmen. Meist geht es ihnen schlicht darum festzustellen: Alles Faschismus! Spahn und Lauterbach in den Knast, Drosten ans Kreuz, Merkel in die eiserne Jungfrau und Scholz über die Planke!
Was niemand aufarbeiten will, sind die medialen Spätfolgen von Covid-19. Wie die Unsitte, technisch saubere Interview-Live-Schalten im Fernsehen durch dilettantische Videocalls zu ersetzen. In der Pandemie machte man das, um zu verhindern, dass die Gesprächspartner sich infizierten – in einem verseuchten TV-Studio oder durch ein in die Wohnung einfallendes vielköpfiges Fernsehteam mitsamt seinem traditionell beachtlichem Virenbestand. Stattdessen setzte man die Gäste zu Hause vor die sichere Webcam.
Dabei ist es nun geblieben. Auch ohne Todesgefahr. Weil es billiger ist und schneller geht. Das Schlimmste daran ist jedoch nicht die damit verbundene miserable Bild- und Tonqualität. Viel katastrophaler sind die ästhetischen Folgen der Unkenntnis der Interviewten bezüglich der einfachsten Regeln des Vor-der-Kamera-Rumsitzens.
Erste Regel: Einen ausreichenden Abstand zur Webcam halten! Merke: Mit nur fünfzehn Zentimetern Distanz zum Objektiv, unabgepudert, von einer Neonröhre grell beleuchtet wirkt jeder wie ein Monster! Die Zuschauer sehen nur noch reifende Pickel, rotadrige Knollennasen, Nikotin-Gebisse oder kraterartige Poren. Selbst wo keine sind. Noch nicht mal im echten Leben möchte man Menschen so nah kommen, außer man ist in sie verknallt und/oder hat ein sexuelles Interesse an ihnen.
Zweite Regel: Den Laptop unbedingt hochstellen! Meinetwegen auf einen Stapel Bücher. Das verhindert, dass die Webcam von unten in die Nasenlöcher zielt. Selbst tippitoppi geputzte und mit Salzwasser gespülte Nasen will man so nicht inspizieren. Ist jemand aber bei der Nasenhygiene schludrig, dann Gnade einem Gott!
Bei älteren Männern gibt es noch ein weiteres Problem: Kürzlich sah ich auf BBC ein Interview mit einem Nahostexperten. Ich glaube zumindest, dass es einer war, konnte mich aber auf den Inhalt seiner Aussagen nicht konzentrieren, weil ihm ein ganzes Nasenhaar-Gebüsch beziehungsweise eine üppige Schilflandschaft aus dem Riechkolben wuchs. Ich war so verstört, dass ich, um englischsprachige Nachrichten zu schauen, zwei Wochen lang nur CNN einschaltete. Aus Angst, auf BBC wieder dem Mann mit der wuchernden Nasenflora zu begegnen.
Die einzige Person, bei der mich diese Perspektive interessiert, ist Benjamin von Stuckrad-Barre. Der erzählte mal in einer Talkshow, er habe aufgrund seines exzessiven Kokaingenusses keine Nasenscheidewand mehr. Das würde ich doch gern mal sehen. Vielleicht im direkten Vergleich mit der Nasenscheidewand seines Ex-Kumpels Döpfner. Nur so aus Neugier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens