Die Wahrheit: Honeymoon mit Frau Sheriff
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Kamala „Dirty“ Harris, bisherige Vizepräsidentin und nun Amerikas Hochzeitskandidatin Nummer eins.
Die USA standen kopf, und die Sonne hielt in ihrem Lauf inne. Ihre Kinder, die Planeten, gerieten für einen Moment ins Eiern, und das All zuckte überrascht zusammen. Gott selbst fiel bei der Sensationsnachricht aus dem Bett: US-Präsident Joe Biden verzichtet auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit und wackelt lieber zum Arzt!
Wie jedermann erinnerlich, schossen sofort Spekulationen ins Unkraut. War es ein aus frei vagabundierendem Willen vollzogener Schritt? Oder hatte seine Familie dem abgelebten Opa die Entscheidung diktiert? Hatte hinter der Tür Kamala Harris die Fäden gezogen, weil sie wie jeder normale Mensch aus brutaler und luststrotzender Machtgier ihren halbtoten Vorgesetzten endlich aus der Bahn gefegt haben wollte?
Die wahren Hintergründe, grauen Motive und dunklen Drahtzieher werden in einigen Generationen entschlüsselt worden sein, damit man schön daraus lernt. Fest steht, dass der Täter immer und ewig jemand ist, der Nutzen aus der Tat saugt. Kamala Harris, die als Vizepräsidentin unter den fünf Buchstaben von Biden fast verwelkte, hat nun freie Sicht und kann im Rennen um den Präsidentenposten Vollgas geben, ohne dass damit irgendeine Vorverurteilung ausgesprochen sei. Niemand in ihrer Partei, keiner der Demokraten wird leichtfertig Fragen stellen und sich ihr dumm wie Hundekuchen in den Weg stellen.
Schon Minuten nach Bidens Rückzug war Amerika im Honeymoon mit der alten Neuen und es flossen deshalb Millionen auf ihr Wahlkampfkonto, von hochtrabenden Konzernen ebenso wie von durchschnittlich vegetierenden Amerikanern, die auch nach einem Wahlsieg von Kamala Harris weiterleben wollen. Denn wenn es etwas gibt, das sie wissen, dann dies: dass eine zielsicher studierte Juristin, eine vor Gericht unbeirrbar schäumende Generalstaatsanwältin, Spitzname „Dirty Harris“, sie auf dem Kieker hat – und als Inhaberin des gewaltigsten Staates im Universum nicht mehr nur in ihrer schwer geprüften Heimat Kalifornien wüten würde.
Karriere mit Kriminellen
Auf Menschenjagd ging Frau Sheriff dort seit 1990, räumte, ja schleuderte karrierebewusst Kriminelle und Konkurrenten aus dem Weg, bis alles aufflog. Gerade noch rechtzeitig entkam sie 2011 nach Washington und versteckte sich im Senat, wo sie bis 2021 in Sicherheit war und sogar vom Staat bezahlt wurde, für den sie aber auch nicht die Einzige war. Dann kam Biden, und alles war vergessen. Biden war damals schon 78.
Ja, man hatte dem wunderlichen alten Mann allerlei Märlein aufgetischt: Schon als Jugendliche habe Kamala sich sozial engagiert und dem Teddybären eines Nachbarsbuben einen feuchten Hosenknopf als Auge eingesetzt. Oder sie habe ihren Goldhamster in die große Freiheit entlassen, mit einem weiten Wurf über das elterliche Grundstück hinaus, weil die kleine Bestie ihre Zelle, den Käfig, nie aufräumte und sogar bekackte. Das ließ sie auch später als Staatsanwältin nicht durchgehen, nicht einmal bei Untersuchungsgefangenen.
Suspendiert vom Gesetz
Sie selbst war nie im Gefängnis, was in den USA einem Alleinstellungsmerkmal gleichkommt. Besonders dann, wenn man nicht engelhaft weiß ist! Als Tochter eines aus Jamaika an Land gegangenen Wirtschaftsprofessors der Eliteuniversität Stanford und einer tamilischen Brustkrebsforscherin gehört Kamala Harris freilich einer Schicht an, die über der Gesellschaft schwimmt und als Westküstenelite von jedem Gesetz suspendiert ist – vor allem wenn sie Staatsanwältin wird, deren Kerbholz öffentlich ausliegt.
Kamala Harris’ wohlfeilste Aufgabe ist es nun, ihre Wandlung von der Saula zur Paula bis zur letzten Ritze glaubhaft vorzugaukeln und mit einem Wahlvolk zu fraternisieren, das sie bisher nur vor Gericht kennenlernte. Bestimmt hat sie davon gehört, dass es draußen noch freilaufende Arbeiter und Angestellte gibt, und vielleicht sogar welche gesehen, etwa im Drive-in von McDonald’s, obwohl sie dann immer eine starke Sonnenbrille aufzieht. Aber: Diese Leute dürfen wählen!
Während sie mit einem goldenen Löffel im Dings geboren wurde, verkümmern Millionen am Rande der Leistungsgesellschaft. Als Präsidentin aller US-Amerikanerinnen aber wird Frau Harris endlich die Rechte der Frau starkmachen und besonders Minderheiten ins Schlepptau nehmen, die als „afroamerikanisch“ und „asiatischstämmig“ rassenkundlich gestempelt werden wie sie!
Vier Jahre lang hat sich Kamala „Kätzchen“ Harris auf leisen Pfoten bewegt. Wird sie nun in den schrillen Wahlkampf ziehen, im Finale dem alten weißen Mann alle Zähne ziehen und die Erdkugel rund, gesund und glücklich machen? Wird sie gar als Präsidentin plötzlich lieb sein wie vor ihr andere Frauen, wie die sanfte Sanna Marin in Finnland? Oder bleibt sie blutrünstig und diabolisch wie Angela Merkel in Deutschland?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja