Die Wahrheit: Die Bildungsbierbank
Zu Coronazeiten gegründet, trifft sich in Frankfurt im Freien ein erlesener Zirkel ausgewählter Charaktere zu Bier, Schnaps und Gedankenaustausch.
A us unserer bescheidenen Holzbank auf dem Mittelstreifen einer recht tauglichen Allee ist mittlerweile eine Bildungsbierbank (BBB) geworden. Informell formiert hatte sich das fluide Kollektiv der rund um die Bildungsbierbank herumgammelnden Nichtsnutze im Jahre 2020, nachdem die Regierung den totalen Krieg gegen ein Virus ausgerufen hatte.
Dem Willen der unterdessen Gott sei Dank irrelevanten Piratenpartei zufolge wären sämtliche Bänke in Frankfurt mit Sensoren ausgestattet worden (wirklich wahr, stand vor einiger Zeit in einem Wahlprospekt), die unser aller Arschwärme, Arschbeschaffenheit und Arschbewegungen hätten aufzeichnen sollen, um die Arschdaten an eine städtische Stelle zu übermitteln, die sodann errechnet hätte, wie sich die Arschaufenthaltsbehaglichkeit auf öffentlichen Sitzgelegenheiten im Sinne der allseits ersehnten „smarten grünen Transformation“ ins Unermessliche hätte steigern lassen.
Unsere kleine Gruppe von Arschgeigen setzt sich im wesentlichen aus dem technischen Modellbauer und Dampflokomotivenkapitän F., der einem auf seinem Telefon gern unerhörte Genitaldarbietungen der Bochumer Punkband Die Kassierer zeigt; dem ewig lachenden und sehr hilfsbereiten IT-Schamanen S.; dem freigebigen und ab und an rhetorisch robust einschreitenden Küster A.; dem linksgesinnten Fahrradschrauber T., der am rechten Arm aus modischen Erwägungen ein Stahlgestänge trägt; und dem Bro from Morocco zusammen – sowie dem Berichterstatter.
Die Kernbelegschaft erweist sich als beeindruckend stabil, sofern die Oberstaatsleiterin der nahen Trinkhalle genügend Bier und zudem „was Kleines“ freigibt. Das Kleingetränk ist eine begleitende Maßnahme und in der Regel ein Jägermeister oder, bei Ebbe im Karton, ein Apfelkorn.
Die Gespräche rund um unsere Bildungsbierbank erklimmen in jüngerer Zeit ein extraordinäres Niveau. Der zuweilen vorbeischneiende Physiker K. beweist beinhart, dass schwarze Materie existiert. Der Linguistikdozent R. erklärt, was das in „der Mainmetropole“ (Jupp de Kopp) überall und daher auch an einem schönen Gründerzeithaus gegenüber zu gewahrende Graffito „DNS“ bedeutet, nämlich: „Do not schreiner.“ Respektive: „Do not schreib.“ Und wer meint, eine Mütze ersetze drei Mäntel, wird ebenfalls auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht: „Arbeit ist die wärmste Jacke.“
Wir sind also erkenntnismäßig echt vorne dran und behandeln „so ’n bisschen alles“ (Tiziana Höll im 11-Freunde-Podcast „Das Themenfrühstück“ vom 3. November 2023). Bei Überbelegung des Kaders ziehen wir auf die doppelt so lange Sozialbank um.
Reinschnuppern darf übrigens so ’n bisschen jeder, nach dem Motto von Louis Richter (ebenfalls im 11-Freunde-Podcast): „Das will ich erst mal sehen, bevor ich’s erlebe.“
Helau!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland