Die Wahrheit: Der Millionen-Mal-Wiedergeborene
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Narendra „Narhalla“ Modi, Indiens Nummer null.
Sie ist keine Theorie aus bloßer Luft, sondern kosmische Wirklichkeit: Die Lehre von der Wiedergeburt ist gelebte Praxis! Indiens Führer Narendra Damodardas Modi ist der Beweis. Zuletzt geboren am 17. September 1950, hatte er sich über Jahrmillionen Jahre zu seiner gegenwärtigen Reinkarnation als Ministerpräsident Indiens entwickelt.
Wie Hindus wissen, kann jedes Wesen es schaffen, wenn nur sein Geduldsfaden lang genug ist und es im Laufe seiner Seelenwanderungen fleißig Pluspunkte sammelt. So kann ein Stein, der sich ordentlich benommen hat, nach einigen Jahrmillionen als brave Bazille wiedergeboren werden, die sich bei guter Führung beim nächsten Mal in ein Insekt verwandeln darf, das wiederum mithilfe eines sauber gebliebenen Karmas, so der wissenschaftliche Fachbegriff, beim nächsten Auftritt mit etwas Glück als Affe oder Ratte in einem Tempel herumflitzen darf; und wenn am Ende das Seelenkonto nur Einträge auf der Habenseite aufweist, wird ein nagelneuer Hindu geboren.
Hindu ist allerdings nicht dasselbe wie Hindu, auch als der ist man immer auf Bewährung. Deshalb wurde Narendra Damodardas Modi fürs Erste bloß in eine niedere Kaste hineingeboren und sollte einmal den kleinen Teestand erben, den sein Vater betrieb, und im nächsten Leben logisch wieder und wieder, wenn er nicht genügend Karmapunkte für den Aufstieg in eine höhere Menschensorte sammelt, ähnlich wie ein Verein in der zweiten Fußballbundesliga. Modi, der sich zu früh eingebildet hatte, etwas Besseres zu sein, war sauer und wanderte erst mal zwei Jahre lang durch Indien auf der Suche nach Erlösung von dem Teestand.
Aber so viel er auf rustikalen Nagelbetten schlief, so oft der künftige Premierminister auf einem Bein stehend am Straßenrand um Almosen warb: Niemand wollte ihn haben, nicht einmal die Mönche der Ramakrishna Mission, die schon voll bis obenhin war. Da beschloss Modi, Politiker zu werden.
Modi und Eva
Was sonst? Als Nichtraucher, Vegetarier und Antialkoholiker konnte er weder in der Tabakindustrie noch in einer Schnapsbrennerei oder in einem Schlachthof sein Seelenkonto abrunden, und zum Postkartenmalen und -verkaufen fehlte ihm das Talent. Also studierte er – die mit 18 arrangierte Ehe mit einer Eva namens Jashodaben trat er nie vollinhaltlich an – Politikwissenschaft und hatte schon 1983, mit gerade mal 33, seinen Abschluss als Master. Meister der praktischen Politik war er bereits lange zuvor.
Schon als Schüler sang und marschierte er in Uniform mit schwarzer Kappe, weißem Hemd und von Natur aus brauner Khakihose bei den Versammlungen der paramilitärischen Hindu-Jugend und wechselte 1985 dann doch zu deren erwachsenem Zweig, der Bharatiya Janata Party. Deren Ziel: ein judenfreies Indien … Quatsch, ein muslimfreies Indien, nichts weiter.
Niemand kann also Modi Antisemitismus vorwerfen, selbst wenn, wie 1992, als er Generalsekretär der Partei in seinem Heimatstaat Gujarat war, ein hinduistisch angestochener Pöbel die Babri-Moschee in Ayodhya zerstört und dafür ein Hindutempel errichtet wurde; auch nicht 2002, als Modi gerade Chief Minister in Gujarat ist, ein hinduistisch verdrehter Mob über 2.000 Muslime zerhackt und 270 Moscheen dem Erdboden gleichmacht wird; oder 2020, Modi ist inzwischen Indiens Führer und Reichskanzler, in Neu-Delhi hinduistisch durchsäuerte Bürger ihre muslimischen Nachbarn in gerechtem Volkszorn durchlöchern – aber wenigstens schaut die Polizei diesmal nicht einfach zu! Sie hilft mit.
P
Modi ist kein Nazi und hat nicht einmal einen blonden Schäferhund. Hunde sind nicht die heiligen Kühe Indiens, und niemand verfiele auf den Gedanken, sie wie Menschen zu behandeln wie im dekadenten Westen. Wenn Modi dem Westen folgt, dann darin, Indien zu einer breiten Weltmacht zu mästen. Sein Kampf gilt dem Aufstieg des mit 1,4 Milliarden Einwohnern – auch wenn da die Muslime noch drin sind – vollgepropften Landes durch haufenweise Industrialisierung und tonnenschwere Aufrüstung. Nur für den Fall der Fälle, aber auch Indien hat einen Nachbarn, der mit P anfängt!
Also abermals das Weltjudentum, Blödsinn, der Weltislam natürlich. Dieses Thema klebt ihm einfach an den Beinen! Daran sind aber diese überall herumspringenden Muslime selbst schuld. Sagte Modi doch 2013 ganz handzahm: Wenn Muslime getötet werden, fühle er sich genauso schlecht, wie wenn sein Chauffeur einen kleinen Welpen überfahre; der in Indien doch bloß ein Hund ist.
Was also tun gegen die an allen Ecken und Kanten des Globus hochspritzende muslimische Weltverschwörung? Hitler ist, Quatsch, Modi ist kein Nazi. Sein Vorbild ist bloß Italiens Modi, der vor 100 Jahren alle Schädlinge auf trockene Inseln im rundum feuchten Mittelmeer verbannte. Modi denkt genauso, nur groß, größer sogar als er selbst ist: Seit der erfolgreichen Mondlandung im August 2023 hat er noch trockenere Landschaften in noch viel trockeneren Maren im Visier!
Damit dürfte Modis Karma randvoll sein, zumal zur Absicherung dieser Stopfung allzu schräg vom Hindutum abweichende Meinungen in Indiens lupenreiner Demokratie mit Meinungsverbot belegt oder als Terrorismus verjagt werden. Einer Wiedergeburt als Mensch und Ministerpräsident dürfte Modi damit ins Auge sehen dürfen!
Nur hängt für einen porentiefen Hindu das Ideal viel höher: durch unendliche Gutigkeit aus dem Rad der Seelenwanderungen aussteigen und in die zeitlose Ewigkeit aufbrechen. Statt, dass das Rad über millionenfache Wiedergeburten rückwärts wie bei Narendra Damodardas Modi läuft!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen