Die Wahrheit: O ja, Schrumpf ist Trumpf!
Die Wahrheit-Sommerserie „Wahre Wunder“ (14): Vom Zauber der allgegenwärtigen Verkleinerung aller Wesen, die inzwischen sogar Land und Boden erfasst.
Der Mensch schrumpft, solange er lebt! Das gilt jedenfalls für alle Menschen über 30. Obendrein steht der schrumpfende Mensch auf schrumpfendem Boden, denn der Boden trocknet aus und übertrumpft dabei leider den schrumpfenden Menschen erheblich. Während letzterer nur alle zehn Jahre um einen Zentimeter schrumpft, bringt es austrocknender Schrumpfboden auf zehn Zentimeter Schrumpfverlust im Jahr.
„Mir egal!“, wird der schrumpfende Mensch sagen, aber da der Boden nie gleichmäßig schrumpft, geraten so seine Häuser in Schieflage und fallen um. Und schrumpft der Boden, so schwappt das Meer auch leichter drüber. Besonders die Millionenstädte in Asien sollten aufpassen, raten besorgte Schrumpfforscher. Ganz woanders, im austrocknenden Kalifornien nämlich, konnten die dortigen schrumpfenden Bauern bereits einen Landschwund von bis zu achteinhalb Meter verzeichnen. Da droht dann die gefürchtete Subsidenz, womit die Schar der schrumpfenden Geologen das Absinken der Landschaft bezeichnet.
Seltsamerweise schrumpfen die tierischen Bewohner von Großstädten ebenfalls. Das haben Forscher aus Neu-Löwen in Belgien festgestellt. Das war gar nicht so leicht, da die gemessenen Tiere schon von Haus aus klein waren: Spinnen, Käfer und Wasserflöhe. Im Fall der Wasserflöhe waren diese 44 Prozent kleiner als ihre Vettern und Cousinen vom Land. Je urbaner, desto kleiner, lässt sich die Erkenntnis der Forscher treffend zusammenfassen.
Diese steht in Übereinstimmung mit der Schrumpflurchthese von Atkinson, wonach wechselwarme Tiere bei hohen Temperaturen nicht so groß werden wie in kälteren Gefilden. Was heißt schon „wechselwarm“ heutzutage, man sollte es eher „wechselnd warm“ nennen …
Materialersparnis bei Zwergen
Eine seltsame Korrelation des Schrumpfens wurde auch zwischen austrocknenden Gartenböden, Gartenzwergen und Gartenzwergherstellern ausgemacht: Die Zahl der Betriebe, die Gartenzwerge herstellen, schrumpft ebenso, wie es die Gartenzwerge selbst tun. Die Firmen sparen so Material und nennen das folgerichtig Gesundschrumpfen, wir Konsumenten nennen das eine ausgemachte Schweinerei.
Zwar keine Schweinerei, aber ein Riesendurcheinander veranstaltet der selbstverständlich zerstreute Professor Wayne Szalinski im amerikanischen Spielfilm „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft!“ von 1989, in dem Kinder in einen Schrumpfstrahler geraten und … – ach, schauen Sie sich selbst an, wie in Hollywood ein Happy End gesundgeschrumpft wird.
Das Gesundschrumpfen hat auch eine lange Tradition in der Tierwelt, das erstaunlichste Beispiel sind die klitzekleinen Zwergelefanten, die einstmals auf Sizilien lebten und die sich mit nur 90 Zentimeter Schulterhöhe in Kaninchenlöchern verstecken konnten. Leider sind die Schrumpfelefanten längst ausgestorben: Man kann sich also auch tot schrumpfen!
Nicht totzukriegen ist dagegen die Gruselliteratur, die das Schrumpfkopfthema behandelt.Unser Lesetipp ist John Sinclair, Folge 119, „Der weiße Magier“. Darin wird Erstaunliches über lebende (!) Schrumpfköpfe berichtet: Erst lassen diese sich von einem Felsen fallen, und dann „sprang der erste auf Juan zu. Es war ausgerechnet Jorges Kopf, der sich aus dem Sand hochwuchtete (!). Die Schrumpfköpfe waren zwar schnell, aber Juan konnte rennen.“ Zumindest schneller als die Verfolger, die mit mahlendem Unterkiefer zurückblieben.
Den Lesern geht es ähnlich, denn sie bleiben ratlos mit malmenden Kiefern zurück, fragt sich doch nicht nur die belgische Schrumpfforschung: Wie laufen eigentlich Schrumpfköpfe?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl